VON CARL KUNZ AUS FELDKIRCH

lfndenr: 
302
9. März 1867

Sehr geehrter Herr!

Ihre „Dritte Parteischrift" habe ich, wie Sie aus der Aufnahme

des Inserats schon gesehen haben werden, erhalten und zwar in Bregenz während der letzten Landtagssession. Wenn ich mein Urtheil über dieselbe abgeben soll, so muß ich sagen, daß die in der Schrift entwickelte Theorie über die thatsäch­liche Durchführung der Idee der Gleichberechtigung mir in logischer und faßlicher Weise aufgebaut erscheint, so daß sie selbst dem Nichtstudirten mit einigem Nachdenken eingeht ­aber für unsere Verhältnisse in Österreich ist sie - das ist meine Ansicht - vielleicht erst in 10-20 Jahren praktisch, erst dann, wenn mehr Wissen in die Massen des Volkes einge­drungen ist. Um Ihre Theorie mit Erfolg auf die Tagesordnung setzen zu können, muß die Bourgeoisie noch gewaltige Vor­arbeiten machen; sie muß zuerst die Hindernisse, welche der Demokratisirung des Wissens und dem freien geistigen und wirtschaftlichen Verkehre des Arbeiterstandes entgegenste­hen, wegschaffen. Solcher Hindernisse gibt es noch gar zu viele, wie Sie wohl selbst wissen. Um nur Eines hervorzu­heben: Darf sich in Österreich eine noch so harmlose geistige oder wirthschaftliche Assoziation bilden ohne das vergiftende Dreinschnüffeln der politischen Behörden außer den kirch­lichen Bruderschaften? Mehr Freiheit, mehr Licht braucht unser Volk, dann kommt Leben und Gesundheit von selbst. Sie beklagen sich, daß Sie Ihr Manuskript immer im Auslande drucken lassen müssen. Was die „Dritte Parteischrift" betrifft, so würde ich keinen Augenblick anstehen, wenn ich sie hier drucken lassen wollte. Wenn Sie dieselbe hier drucken lassen wollten, so wollte ich schon dafür sorgen, daß sie möglichst korrekt gedruckt würde. Der Kostenpunkt dürfte nicht so bedeutend sein.

Für den Fall, daß Sie auf diesen Gedanken eingehen sollten, behalte ich das Manuskript vorläufig bei mir; wenn nicht, so sende ich es Ihnen auf das erste Aviso zu. Gibt es keine Neuigkeiten im „Wald"? Ich hoffe, diesen Früh­ling den Wald einmal zu durchstreifen, und werde dann nicht ermangeln, Sie in Ihrem Ausculum aufzusuchen. Hochachtungsvollst grüßt Sie Ihr ergebenster                                                             Carl Kunz.

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