FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
155
1. September 1865

Lieber Freund!

Ich beeile mich, Dir mitzuteilen, daß ich das Wible und die Trägerin des kleinen Kleinods, trotz aller Steine des Anstoßes, glücklich durch den Nebel geführt und wohlbehalten zum Nachtessen am runden Tisch gebracht habe. Julius scheint all seine guten und schlimmen Gewohnheiten mitgenommen zu haben; es ist daher nicht zu verwundern, daß er so schwer war. Über die Lose herunter wollte er durchaus und durchab von Mamma getragen sein, daher denn diese ihren Geduld­sack - schleppen mußte, bis er eine gewaltige Blöde und an einer Stelle sogar ein kleines Loch bekam. Unter großem Geschrei des Kleinen und der ihn Beschwichtigenwollenden zogen wir in Angelika Kauffmanns Heimat ein und beim Hirschen vorüber zum Heiligen Kreuz, wo den Traurigen Wein gegeben wurde, wie die Bibel es vorschreibt.

 

Schon sangen Dichter allerlei

Oft wunderliche Dinger,

Doch ist vielleicht mein Lied noch neu,

Das Lied vom kleinen Finger.

 

Nicht von dem Finger jener Hand, In der die

Welten ruhen, Der gestern uns ins Wälderland

Geführt trotz schlechten Schuhen

 

Der Finger ist's, der morgens früh Theresen plagt

und prickelt, An dem sich dann die Nagelbrüh

Erstaunlich schnell entwickelt.

 

Des Kreuzwirts Gattin sieht's und eilt,

Ein Pflaster zu bereiten, Denn

Holdermus und Honig heilt Die

Finger alle Zeiten.

 

Der guten Laun entgegen stand Wie

eine Kriegesfahne, Der Finger mit

dem weißen Band, Der Kriegsruf

heißt: „Ach! ahne!"

 

Der Weg ist weiter, weiter, ach, Als

noch vor zweien Jahren; O, sieh doch

um ein Fuhrwerk nach, Ich möchte

weiter fahren!

 

In Mellau war kein einzig Roß, O,

wehe, weh der Finger, Er schmerzt

mich jetzt so grenzenlos, Die Füße

nicht geringer.

 

Doch in dem ärgsten Ach und Weh

Kam Babol, o, die Gute, Mit Pflaster,

Liebe und Kaffee Droht sie dem

Übeln Mute.

 

Doch, Liedchen, werde nicht so lang

Als gestern die Gesichter, Die auf dem

großen Schmerzensgang Geschaut

ein armer Dichter.

 

Man weiß es wohl, zwei Jahre sind

Sehr lang, und eine Reise Mit einem

Schwager, einem Kind, Ist keine

Hochzeitsreise.

Therese sagt, ich soll Dir schreiben, sie sei gar nicht müde gewesen, nun ich habe es getan. Jetzt wenigstens sind Mutter und Kind wohl. Der Finger macht sich.

Hier hast Du 5 Hefte. Das 6. werde ich nachsenden und Du kannst dann den Band auf meine Rechnung einbinden lassen. Die - nach meiner Ansicht besten - und schlechtesten Aufsätze findest Du im Inhalt auf dem ersten Blatt - Umschlag angestrichen. Was macht das Bäsle, was sagt Meusburger? Lebe wohl! Dein Freund

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