FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
116
1. April 1864

Lieber Freund!

Die neuesten Beweise Deiner Freundschaft, d. h. Dein letztes Schreiben vom 26. 3. und die Landeszeitung No 40, habe ich gelesen und bin nun begierig, was Vonbun wieder schreiben wird. Über das Wesen der Sage habe ich eine Abhandlung vom Grimm gelesen, auf welche Dich Herr V. sicher ver­weisen wird und die ich daher diesem Brief beilegen werde. Auch den „berühmten Frohnhof", sicher das armseligste Machwerk in diesem Jahrzehnt (einige Erbauungsbücher ausgenommen), sende ich Dir, und bitte Dich, ihn zu lesen ­und mir dann zu sagen, ob Du nun meinen Ärger, dem ich im letzten Brief, aber nur da, Luft machen wollte, nicht ver­zeihlich findest. Er, nämlich der Ärger, war aber bald wieder von anderen Gegenständen - überfahren. Freilich es ist nicht gut, wenn Neulinge, die doch gewöhnlich nicht eitel genug sind, sich ganz sicher zu fühlen, so aufgenommen werden, und ich gestehe offen, die Lust am Schriftstellern war mir merkwürdig vergangen. Warum, fragte ich mich, willst du etwas schreiben, nachdem schon so viele und Tüchtigere etwas geschrieben haben? Was willst du Neues bringen, was kannst du? Etwa zwischen Auerbach und Gotthelf stehen, wie du früher schwärmtest? Da ist ein Hermann Schmid (Ver­fasser von ,Almenrausch und Edelweiß', ,Blut um Blut', ,Der Schütz' u.s.w.), dem dieses besser gelang, als es dir je gelingen könnte. So dachte ich und legte die Belletristen einige Wochen beiseite, aber ich konnte doch nicht müßig sein und fing an - lache nicht, lieber Freund, es ist alles zu etwas gut und noch keiner hat es bereut, etwas gelernt zu haben, - also ich fing an, Italienisch zu lernen. Frage nicht, wie schnell ich vorwärts komme, ich sage nur: Es geht, aber langsam.

Die schönen Frühlingstage wirkten recht wohltuend auf mich, und bald suchte ich die Sonderlinge wieder und fing an, einige Bogen zu streichen und einige Zeilen zu schreiben. Am letzten Sonntag kam Herr Bopp und machte mir inter­essante Mitteilungen, die ich Dir natürlich hier wieder so zu geben versuche, wie ich dieselben erhielt. In der ,Europa'', einer beliebten norddeutschen Zeitung, ist der Nümmamüller beiläufig folgendermaßen besprochen: „Das Werkchen kann am besten mit den Schriften von Herrn Schmid verglichen werden. Schmid übertrifft vielleicht (?) Herrn Felder in der Ausschmückung, aber in der Charakterzeichnung stehen beide gleich hoch."

Hermann Schmid ist, wie ich oben andeutete, in einem Jahr nicht nur mein, sondern der Liebling des deutschen Volkes, und ich glaube, daß ich das Lob der ,Europa' so wenig als den Tadel des Herrn V. verdient habe. Ich werde Herrn Stett­ner ersuchen, mir die Nummer der ,Europa' zuzusenden. Auch im Tirolerboten soll das Büchlein günstig besprochen worden sein.

Im Frohnhof machte ich zuerst einige Bemerkungen, welches ich aber bald wieder aufgab. Den Liebig habe ich auf Deine Rechnung setzen lassen.

Sonst weiß ich gerade nichts Neues, hätte auch kaum mehr Zeit, es Dir noch mitzuteilen. Die Deinen lassen Dich grüßen. Vielleicht hast Du bald einmal wieder Zeit, mit einer Antwort zu erfreuen Deinen Freund

Franz Michel Felder.

Grimms Sagen kannst Du mir später selbst bringen, Du wirst daraus vielleicht nicht viel lernen, aber doch behaupten dürfen, daß nach Grimm wenigstens die Erzählung aus der Bunt u. a., nach D. Döhler aber alle die von Dir angeführten Sagen sind.

Keine