VON FRANZ MICHAEL FELDER AUS BLUDENZ AN ANNA KATHARINA FELDER IN SCHOPPERNAU

lfndenr: 
340
16. Mai 1867

Liebes Wible

Deinen Brief und die Schriften hab ich am Dienstag erhalten. Ich war schon besorgt, weil von rechtswegen schon am Montag ein Bericht über Deine Heimreise eintreffen sollte. Nun man muß in diesem Jammerthal - ich meine eigentlich die böse Welt, nicht zu viel verlangen. Müssen doch die Herren hier noch immer auf die in Feldkirch bestellten Sonderlinge warten und ich der dieselben längst erhielt und auch auf Deinen Bericht von Deiner Heimreise nicht mehr warten muß, warte nun auf viel anderes. Vorerst auf den Erfolg dessen was Du in der Dir mit diesem Briefe zukom­menden Feldkircherin lesen wirst, zeig das dann auch dem Uhrenmacher bevor du das Blatt an die Vorsteher giebst die auch in der Lands Zeitung das Nämliche lesen werden.

Am letzten Sonntag fuhren wir durch Staub und Hitze nach Feldkirch. Es gefiel mir da nicht so übel, doch Dein Ausruf: „Hier möchte ich sein" kam nicht über meine Lippen.

Am 24 Maj ist Rechnungstag für die Schoppernauer Viehver­sicherung. Ich hab daher im Sinn noch heut an den Vorsteher zu schreiben und ihm zu melden, daß ich wahrscheinlich nicht bei der Rechnung erscheinen könne weil ich jetzt doch nicht mehr bloß den lieben frommen Schoppernauern gehöre.

Ich habe um Hülfe gerufen und mein Ruf wurde gehört, sein Echo wird vielleicht ein gewaltiges sein, jedenfalls zu groß um Dir für 9 Neukreuzer im Umschlag vom Bothen nach Schop­pernau gebracht werden zu können. Hildebrand ist in schreck­licher Aufregung. Ich schrieb ihm, indem ich mich zur Ruhe zwang, aber schon das Wenigste war für ihn zu viel. Er läßt Dich als Heldin von sich und seinen Freunden grüßen. Ich hab ihm gestern Deine Photografie zugeschickt mit sammt der Meinen, die sehr gut gerathen ist. Du sollst beide am nächsten Mitwoch erhal­ten. Hildebrands Einladung, gleich von hier aus - und wen auch ohne Geld und ohne Kleider - eines Sprungs nach Leipzig zu kommen hab ich dankend abgelehnt. Erst muß der Kampf aus­gekämpft werden, den ich begann. Dazu bin ich hier jetzt ganz auf dem rechten Platz. Schon wegen der schlechten Post wärs jetzt nichts für mich in Schoppernau. Aber die dortige Stimung und die im Thal herum sollte ich doch wieder kennen. Der Uhrenmacher soll mir nur am Montag schreiben und Du auch. Was macht der Pfarrer, was sagen die Oberhauser und was über­haupt ist los? Was bemerkt man über meine Flucht? Das Dökterle grüße mir und sag ihm, es soll den Pater Beda wieder einmal mit Wein und Wiederspruch bearbeiten. Wenn Du die Erklärung in der Feldircherin aufmerksam liesest, und wenn das auch meine werten Freunde auch thun, so werdet ihr begreifen, wie wichtig mir jetzt jede Nachricht und wie nötig uns allen ein festes männ­liches Zusammenstehen ist.

Mutter soll sich meinetwegen nur keine Sorgen machen. Ich hab jetzt Wichtigeres zu thun als mit den Kühen in die Bunt zu fahren wenn mir das auch gemüthlicher vorkäme. Auch wird sie sich ihres Franzmichels nie schämen müssen, den ich kämpfe nicht gegen den wahren Glauben, sondern gegen Lüge Heuchelei und die erbärmlichsten Leidenschaften die nur um so mehr eine Pest der Menschheit sind, wo sie sich einen Schaafspelz, ein heiliges Kleid umgehängt haben. Dir, gutes Wible, brauche ich nichts mehr zu sagen denn Du verstehst mich. Nur vergiß bei der treu­en Erfüllung deiner Pflichten als Mutter nicht auch an mich recht bald wieder zu schreiben. Die Rechnungsbücher der Assekuranz sind noch nicht angefertigt, Baltasso der Klin soll daher das Versicherungsbuch zum Vorsteher thun, den ich für seine Mühen entschädigen werde.

Doch ich hab heute noch mehr Briefe zu schreiben. Lebe wol es grüßt Dich 10009 mal

Dein Mindle F M Felder

Keine