AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
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24. Oktober 1866

Lieber verehrter Freund!

Vor etwa 6 Wochen habe ich Ihr werthes, für mich in jeder Beziehung erfreuliches Schreiben vom 1 September beant­wortet und wenn ich mich nun wieder an Sie wende, ohne länger auf ein Schreiben von Ihnen zu warten, so sind es weniger die Besorgnisse um die Ihnen damals für die Garten­laube übersendete Reisebeschreibung und andere Schreibe­reien als das Bangen beim Lesen der Zeitungsberichte über den in Leipzig herrschenden Gesundheitszustand. Ich möchte so gern bald vernehmen, Sie und all Ihre Lieben befänden sich recht wohl, daß Sie mich entschuldigen müssen, wenn ich jetzt an Sie schreibe obwol ich weiß, daß Sie jetzt ohne mich genug zu sinnen und zu sorgen haben. Zu dem Ihnen hoffentlich zugekommenen Aufsatz liegt auch eine Zeichnung (Ansicht von Schröken) hier, die ich Ihnen nächstens übersende, wenn ich Ihr Urtheil oder Keils Be­schluß erfahren habe und es alsdann noch für nötig halten sollte.

Ich werde nun bald wieder etwas mehr freie Zeit haben als in den letzten Wochen wo es für das Bäuerlein noch so man­ches zu thun gab. Nun wird auch die Agitation für das Ver­einswesen wieder beginnen und ich hoffe zuversichtlich Ihnen bald Erfreuliches melden zu können. Auch neue Samm­lungen von Sprachspähnen werde ich übersenden; ich finde auch in den Gedichten Walthers von der Vogelweide man­ches mir wohlbekannte Wort, und ich wünschte mir wie bisher nur mehr freie Zeit, da auch meine Sammlung beim Lesen dieses kernigen Dichters sich bedeutend bereichern wird. Ich liebe den wakern in dem ich so viel fast möchte ich sagen nachbarliches finde. Ich habe nämlich schon gefunden, daß nicht nur ich sondern auch andere Wälder sich bei ihm wie daheim fühlen. Meine Landsleute würden ihn schneller fas­sen als die neuen Dichter. Mehr davon werde ich Ihnen schrei­ben, wenn ich einmal weiter gelesen habe. Vielleicht können Sie mir auch bald mittheilen ob Sie noch keine Literaturzeitung für mich „ergatterten". Ihre Auslagen würde ich dankbar vergüten. Ich erlaubte mir, Sie zu fragen und zu plagen, weil ich nach Lesung Ihres so freundlichen Antrages diese Blätter abbestellte und mir für das so erübrigte Geld andere Bücher angeschafft habe.

Die besprochenen Nummern der Flensburger Zeitung werde ich mit der eben erwähnten Zeichnung oder sonst übersen­den. Ihren Gruß an meinen Freund Moosbrugger in Bludenz hab ich mit Freuden ausgerichtet und er hat mich gebethen, ihn herzlich dankend zu erwiedern.

Und nun genug für heute! Stil und Schrift zu entschuldigen, muß ich bemerken, daß ich in einer schlaflosen Nacht schreibe.

Mit den herzlichsten Grüßen von mir und den Meinen und mit den besten Wünschen für Sie und Ihre Lieben Ihr ewig dankbarer Freund

Franz M Felder

Keine