AN JOSEF FEUERSTEIN IN BEZAU

lfndenr: 
255
23. November 1866

Lieber Freund!

Also der Keil wäre eingetrieben und nach den ersten Zeichen zu urtheilen wird der Erfolg nicht fehlen. Die Feldkircher Zei­tung, die die neue Partei anerkennt, wagt es einstweilen nicht, mit uns zu brechen, obwol sie sich noch eine Menge Hinter­thüren nach allen Seiten offen läßt. Mann Gottes, jetzt gilts Ernst. Moosbrugger schreibt mir: Am letzten Sonntag hätten ihn die Größen von Bludenz zu einem Spaziergang eingela­den, was früher nie geschehen war. Den bisherigen Gegner, der wegen vieler Äußerungen für den Herausgeber der Schrift, etwas gewisses weißt man nicht, und sucht ihn neu zu gewinnen. Moosbrugger spazierte nicht mit, sondern schützte dringende Geschäfte vor und schrieb an mich. Er warnt uns mit Recht, die Augen offen zu halten und auf uns und Andere wohl Acht zu geben, „bisher waren wir" schreibt er „uns selbst und sonst niemand verantwortlich, das hat nun aufge­hört da wir aus dem Dunkel hervortretten". Er warnt ohne vorherige gemeinsamme Berathung keinen öffentlichen Schritt mehr zu thun und öffentlich könnte jetzt alles werden was wir thun meine ich und bin daher fest entschlossen, nichts mehr zu veröffentlichen ohne Dich und Moosbrugger darüber vernommen zu haben. Auch Du wirst vorsichtig sein und bethen: Gott schütze mich vor meinen Freunden, mit den Feinden wollen wir schon fertig werden. Ich sage Dir das mit Bezug auf Dr. König und andere deren Standpunct wir nun wol kennen zu lernen Gelegenheit bekommen. Sollte Dir Hr v. Seiffertiz, oder sollten andere bei Dir, den sie aus dem Schritte gegen die Handelskammer als einen der Unsern erkennen werden, etwa anklopfen, so bitte ich Dich um sofortige Mittheilung an Moosbrugger oder mich. Du weißt doch wol, daß ich das nur im Interesse unserer großen Sache fordere. Dr Bickel gehört zu uns, meint Moosbrugger und hofft, daß sich das bald zeigen werde. Es werden bald meh­rere, und was das Wahre, die Tüchtigsten zu uns gehören wenn wir die nun entfaltete Fahne rein bewahren. In unserem Programm ist uns unsere Haltung vorgezeichnet und wir können aus derselben viel, alles lernen. Übrigens werden wir in Bezau zusammenkommen bevor einer von uns wieder aus der beobachtenden Stellung heraustritt. Ich arbeite jetzt wenig und lese viel, ein Parteiorgan werden wir bald haben müssen, wenn es nicht möglich sein sollte, die Feldkircherin zu gewinnen, wer einmal A gesagt hat muß auch B sagen.

Schreibe mir bald von dem Eindruck den die Broschüre in Bezau machte und was du sonst hörst. Unser Vorsteher hat sich wieder als der gezeigt, der er immer ist. In Bludenz muß die Wirkung eine erstaunliche sein.

Noch Eins: Am letzten Sonntag erhielt ich vom Förster einen Brief in dem er sich mir gegenüber über Mangel an Vertrauen beschwert, und mir sagt, er möchte mein Streben unterstüt­zen.

Nun, das wird sich zeigen bis jetzt glaub ich es noch nicht und habe dafür meine Gründe. Ich hab ihm dann in einer sehr diplomatischen Antwort, aus der er je nach seinem Standpunkt auslegen wird gesagt, er müsse einen Mangel an Art dem Mangel gesellschaftlicher Bildung zuschreiben. Von der Broschüre und Dir sagte ich gar nichts und wenn er deutsch zu lesen versteht, wird er den höflichen Ton verste­hen. Ich schrieb den Brief, bevor die neuesten Nachrichten da waren, die mich nun veranlassen an Dich zu schreiben und übergab ihm daher auch einiges an Dich. So ersuchte ich Dich unter anderem mich zu benachrichtigen, ob Du nicht bis in 8 Tagen einem meiner Freunde 500 Franken Silber auf einige Monathe aufzutreiben wüßtest? Der Freund ist der Uhrenmacher Felder, der in letzter Zeit beim Handel mit Uhren so bedeutend einbüßte, daß er nicht leicht heim zu seinem nun verwaisten Anwesen kann, wenn ich ihm nicht so viel zuschike. Banknoten wären schon aufzutreiben aber ich möchte Silber für einige Monathe und verbürge mich dafür mit Kind und Rind.

Wenn Du uns helfen kannst und, was ich nicht zweifle, auch willst, so schreibe mir so schnell als möglich, das Geld aber schike nicht herein, denn ich möchte alles aufsehen vermei­den, auch dem Bothen keine Kopfarbeit machen und werde Dir daher, wenn Du meinem liebsten und einzigen Jugend­gespielen und mir die Gefälligkeit thust, die Adresse und einen Brief hinausschiken, damit alles so schnell als möglich an seinem Bestimmungsort anlangt.

Diese Bitte wird Dir, etwas ungenauer wol auch der Förster mittheilen. Die Antwort aber wünsche ich von Dir selbst, da ich doch eine bekommen werde. Horche dann, was der Mann über meinen Brief sagt oder ob er Deine Rechtlichkeit noch beleidigend findet. Ich nenne es Rechtlichkeit, daß Du weder ihm noch sonst Einem meine oder Moosbruggers Briefe zeigst, wenn wir das nicht ausführlich wünschen oder zuge­ben. Übrigens weiß ich, daß ich auf Dich zählen kann, und sage das nur so im Vorbeigehen. Der Gartenlaubeartikel wird noch nicht so schnell erscheinen, ja es kann sein, daß ich ihn im Interesse unseres Parteistrebens wieder zurük fordern und einstweilen bei Seite legen werde. Doch darüber wirst dann auch Du mitzubeschließen haben. Ich schrieb jenen Aufsatz zu meinem Privatvergnügen, jetzt aber könnte er auch für eine Manifestation genommen [werden] was mir (uns) nicht lieb sein könnte da er das nicht ist. Ich habe auch dem Moos­brugger meine Bedenken mitgetheilt. Jetzt heißt es aufpassen! Wir sollen nicht nur niederreißen, ja wir dürfen das gar nicht wenn wir nicht auch aufbauen können.

Die Sonderlinge aber sollen und müssen nun heraus. Ich ärgere mich schon etwas über den „Bürger" Hirzel, der die Richtung anstößig findet und dem, wie Hildebrand schreibt, das Bäuerliche an und für sich fremd ist. Das Ladendiener­liche in „Soll und Haben" war diesem Aristokraten nicht fremd, sollte er wirklich im Bäuerlichen das Menschliche nicht so gut finden können wie dort? O diese!!! Hildebrand, dem wie Du weißt, das Werk außerordentlich gefällt, schreibt mir, er fange an ganz grimmig zu werden, ich hab ihn dann in der Antwort auf die Konsequenzen einer Hir­zelschen Weltanschauung aufmerksam gemacht, und bin begierig, was der gute Stubengelehrte darauf erwidern wird. Auch unsern Ruf habe ich ihm zugeschikt sammt einigen Pro­ben unserer vaterländischen Zeitungen.

Sei so gut mir bald die geliehenen Sachen zuzuschiken die Du nicht mehr brauchst und schreibe. Bald schon werdet ihr mich wieder bei euch sehen müssen. Grüße mir Deine Frau, Meßner und sonst niemand

Mit Gruß und Handschlag

Dein Freund und

Plaggeist Felder

Von der Gemeinde Bitzau bin ich um eine Abschrift der Ord­nung unserer Versicherungs Gesellschaft ersucht worden. Die Sache scheint dort und anderwärts Anklang zu finden.

Keine