KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
259
28. November 1866

Lieber Freund!

Deine zwei werten Briefe erhielt ich vorgestern miteinander. Das Wichtigste ist jetzt eine bessere Postverbindung, auch scheint es, daß man dem Boten den Kopf ein wenig zurecht richten sollte. -

Ich bin sehr erbaut über Dein letztes Schreiben; Du kannst es mit Deiner Andacht und Deinem Ernst noch weit bringen. Dein Kriegsplan ist ganz gut, und ich habe nichts zu berich­tigen. Du bist schon praktischer und weiter, als ich gemeint habe. Ich halte Dich für vollkommen fähig, die Redaktion unserer Zeitung zu übernehmen. Deine scharf beobachtende Umschau und berechnende Vorsicht lassen ein gedeihliches und rühmliches Werk hoffen. Insbesonders finde ich Deine Vorsicht zu rühmen. Sie ist jetzt, wie sie sein soll - für ihre weitere Entwicklung. Wenn Kunz so vorsichtig gewesen wäre, hätte er die größten Schlappen, die er erlitt, sich erspart. In unserer Lage soll die Vorsicht ans Ängstliche streifen, denn wir müssen sozusagen aus nichts etwas schaffen, und das ist, wie sogar die Theologen wissen, keine Kleinigkeit. Diese ans Ängstliche streifende Vorsicht, welche sich in Dir bis zur Opferlust verschönert, finde ich darin, daß Du den Tann­berger Aufsatz zurückziehen willst. Ich habe ihn heute noch­mals durchblättert, aber ich finde durchaus nichts Ordnungs­widriges darin. Im Gegenteil, wir haben jetzt einen Bauplan fertig und das Material am Platz, jetzt dürfen wir auch nieder­reißen. Der Aufsatz soll, wie er ist, erscheinen, und es ist gut, daß von mehreren Seiten Bomben und Granaten fallen. Ich wünsche auch mit Dir, daß die Sonderlinge bald veröffentlicht werden und hoffe, Hildebrand werde anderwärts sich ver­wenden, wenn Hirzel zu kleingeistig ist. Einem Hildebrand sollte doch leicht sein, ein Werk wie dieses zur Veröffent­lichung zu bringen. Wenn dieser Mann nur nicht zu tief in der Sauce der Gemütlichkeit und Romantik steckt! - Ob unser Landtag unsere Broschüre positiv zur Sprache bringt, weiß ich nicht. Dr. Bickel meinte bei seinem Abschied von mir, sie werde zur Sprache kommen. Ich habe mir seit der letzten Session es angelegen sein lassen, diesen Adressenmann und Bourgeois mit Geist zu bekehren. Ich zweifle nur, auf ihn bedeutenden Einfluß geübt zu haben. In letzter Zeit war er gegenüber unserm Staat Pessimist und er schrieb ihm keine Zukunft mehr zu. Er faßte unsere Broschüre auch demgemäß auf und meinte, sie sei vortrefflich und gereiche den Ver­fassern (mir) zur Ehre, ihre Taktik gehe auf eine Auflösung Österreichs. Ihr schwächster Satz (wenn er ernstlich gemeint sei) sei der auf S. 9 über das staatliche Band. Das Unterbleiben einer Adresse im Sinne der vorjährigen ist sicher das Werk der Bekehrung Bickels und - unserer Broschüre. Unser Pfeil steckt den Kerls fest im Leib. Sie haben vielleicht nicht den Mut, die Broschüre zur Sprache zu bringen, aber die stille Wirkung ist gesichert, und das ist die Hauptsache. ­Der Sozialdemokrat faßt die Sache anders auf. Aber ich ver­mute oder halte es wenigstens für möglich, daß er nur aus Diskretion gegen mich (Begleitschreiben) das nicht heraus­finden will, was Bickel herausfinden zu sollen glaubt. Er will unsere Stellung vielleicht nicht erschweren, und ich bin ihm für die Kritik sehr dankbar. Wir haben den Bestand Österreichs allerdings scharf betont, aber wir sagten auch S. 7: Die Magyaren wußten wohl, daß etc. Was die Magyaren wissen, können wir auch wissen und auf uns anwenden, und es wird die Zeit kommen, wo wir es tun werden und tun müssen, wenn wir sonst, durch Österreich, nicht zum Ziele gelangen. In dem Staat, in dem wir sind, muß Wahrheit und Recht herrschen, und eher gehe der zufällig vorhandene Staat zu Grunde als Wahrheit und Recht, das sei unsere Devise. ­Die Landeszeitung, d. h. das Volksblatt hat mich bei Be­sprechung unserer Broschüre wegen der in der Besprechungs­art verborgenen Ignoranz wild gemacht. Ignoranz nicht des­halb, weil die Zeitung von uns nichts wußte, sondern weil ihr die Broschüre, d. h. die Gedanken originell erschienen sind. Sie weiß die Erscheinung offenbar in ihrem Schachtelsystem nicht unterzubringen. Wahrlich, auf diesem „Feld" muß man niederreißen und von diesem Feld soll Dein Name eine Weihe erhalten. - Mit Ganahl oder Kunz habe ich noch nicht konversiert, ich will vorerst die Rückkehr des Dr. Bickel von Bregenz in die Ferien abwarten und dann sehen. Man muß zuerst sondieren. - Unsere Zeitung glaube ich mittels eines zweiten Rufes inaugurieren zu sollen. In demselben werden wir die Wirkung des ersten „konstatieren", für unsere Sache weiter Reklame machen, mehrere Punkte mit Bezugnahme auf die verschiedenen Kritiker präzisieren, besser beleuchten etc. und die Zeitung ankünden. Zugleich wäre gut, wenn wir ein wissenschaftliches Werk ankünden könnten, das den Kern unseres Systems bloßlegt. Ich habe bereits eine Idee des­selben und mache bezügliche Studien im - theologischen Fach. Das Werk könnte ,Das Christentum und Lassalle' heißen, obwohl es richtiger ,Das Christentum und die Wissenschaft' hieße. Ich kann noch nichts Näheres sagen, nur das, daß die Lehre des August Nicolas (dessen Werk vom Papst belobt und honoriert wurde) über Toleranz und Intoleranz der Kirche, die in dem Satz gipfelt: „Das sind also die verschie­denen Standpunkte der Menschen zu Gott, zu seinem Wort und zu seiner Kirche. Diese letztere umschließt in ihrer Ge­meinschaft jeden Menschen, den Katholiken, den Häretiker, den Juden, den Heiden, kurz, wer immer Gott ehrt dem­gemäß, was er von ihm weiß oder von ihm wissen kann.“ S. 331, 3. Band; zum Lob und zur Ehre der Wissenschaft und daher auch bezüglich der modernen, zum Lob und zur Ehre ihrer Inkarnation des Ferdinand Lassalle illustriert würde. ­Doch das sind Sachen, die sich noch zu entwickeln haben und die ich nur andeute, damit wir stets über uns im Reinen und Klaren sind und unsere Dinge ineinander greifen, wie sich's gehört. Natürlich werde ich Euch stets zu Rate ziehen. - Den Demokrat und das Manuskript werde ich bald schicken. Deine Bemerkungen über Feurstein gefallen mir und Dein Operie­rungsplan zu ihm auch. Nur munter und wohlgemut so zu und die Sache wird gut. - Die ungarischen Zeitungen werde ich Dir mit oberwähnten Schriften schicken. Silber wüßte ich hier keines aufzutreiben als teuer, und Du bekommst es dort sicher leichter. -

Der hiesige Postmeister ist ganz für unseren Standpunkt, ein Fabrikant, Herr Blum, meinte, die Broschüre könnte offiziellen Ursprungs, allenfalls von Froschauer sein, der Stadtschreiber Rohner aber hielt sie für so revolutionär, daß er sie nie­manden lesen lassen wollte. Solche Bürger sind hier in Ehren und Ansehen.

Grüße mir freundlich die Franzosen! Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine