KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
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8. März 1863

 

Lieber Freund!

Ich habe schon längere Zeit den Willen gehabt, Dir zu schreiben, aber immer ist etwas dazwischen gekommen. Ich bin nämlich durch mein Ämtchen dermalen wohl stark beschäftigt, so lange der Riedel im Landtag ist. Ich habe nämlich zu den Grundlasten-Ablösungssachen auch noch Riedels Referat für die Landtagsdauer erhalten. Nachdem nun aber der Landtag sein Werk für heuer in Bälde abgetan haben wird, so werde vor allem ich eine gute Wirkung hievon verspüren. Ich, der Büro-Mann, bin also froh, Riedels Landtagstätigkeit beendet zu sehen, während Ihr Draußigen ihm wahrscheinlich seine diesfällige Tätigkeit danken werdet. Doch habe ich vielleicht eine zu gute Meinung von Euch Waldleuten, wenn ich glaube, Ihr habet fortlaufende Einsicht genommen in die Landtagsverhandlungen und sie mit Euren Sympathien und Antipathien verfolgt. Hierzulande ist der Bürger sehr eingenommen für dieses Landesinstitut und die stenographischen Berichte werden mit lobenswertem Eifer gelesen. Riedel ist der Mann des Tages geworden. Dies hat jedenfalls seine Bedeutung, und man ist hier sehr begierig, zu sehen, welche Behandlung die Hohe Regierung diesem Volksmann angedeihen lassen werde. Eure Wälder-Abgeordneten dagegen werden hier scharf kritisiert und wird besonders der Bauernstolz derselben hart hergenommen. - Ich bin, Gott sei Dank, gesund und wohl. An Lichtmeß war ich in Feldkirch, traf die Ludmilla aber nicht. Die Einleitung in die Grundgesetze des Feldbaues von Liebig habe ich bestellt und erhalten, aber noch keine Zeit bekommen, sie zu lesen. Pinzger hat mir geschrieben, er ist immer unpäßlich. Er lobt mein vorjähriges Geschreibsel und will es mit einer juristischen Arbeit von ihm verbinden, wenn seine Gesundheit es erlaubt. Aus Ungarn erhielt ich auch von Freundeshand ein Schreiben, das mit wenig Worten über dortige Zustände mehr und Besseres sagt, als lange Leitartikel der Allgemeinen Zeitung. Was wollen die Wälder mit den Polen anfangen? Daß diese nicht bloß in unmittelbarer Nähe der Ungarn hausen, sondern auch überhaupt mit ihnen sehr nachbarlich sind, ist Dir bekannt. Wir haben in diesem Bezirk die Klauenseuche, und zwar im Klostertal bereits in allen Dörfern. Die Schweine, durch die sie herkam, sind letzthin auch auf dem Markt in Rankweil gewesen, und so wird diese Seuche im ganzen Lande ausbrechen. Zum Glück soll sie nicht bösartigen Charakters sein. - Das neue Grundbuch wird im Landtag durchgehen, und sag somit meinen Brüdern, sie können wegen der Verschreibung von Krumbach die Einführung dieses Gesetzes abwarten, die vielleicht noch in diesem Jahr stattfindet. Dort geht's dann einfach und ohne Kosten auf die Verbuchung der Schulden. Wenn Du zum neuen Pfarrer in Schnepfau kommst, so nimm den Hut nur gehörig ab und mach dann noch in meinem Namen ein Kompliment. Er war als Student oft bei uns in Au und ist ein besonderer Bauernfreund, wenn sie nicht stinken. - Deine Dorfgeschichte ist mir immer noch nicht zugekommen, laß sie einmal von Stapel laufen. Man wird sie auch hier gerne lesen. Überhaupt ist hier schon Sinn für Derartiges. Man liest ziemlich viel und am liebsten Vaterländisches. Wir haben auf der Post auch eine schöne Auswahl von Zeitungen: Allgemeine, Presse, Innzeitung, Tiroler Stimmen, Feldkircher Zeitung, Gartenlaube etc. Der 26. Februar wurde hier gehörig gefeiert, am schönsten in Vorarlberg. Mich interessierte aber mehr die Feier des Funkensonntags. Da zeigte sich noch wirkliche Volksfreude, das ist hier ein wahres Volksfest. - Was sagen die Wälder zum neuen Gemeindegesetz? Jetzt werden sie den Kamm gehörig aufrichten, d. h. die Aristokraten. Den Armen wird es noch schlechter gehen als bisher, wohingegen die Reichen eine Fülle von Rechten und Befugnissen erhalten, die sie in Verbindung mit der vorhandenen mehreren Ausbildung und Befähigung nicht ermangeln werden, tüchtig auszubeuten. Den Jesuiten wird die Gelegenheit nicht entzogen werden, die Armen mit der Verheißung der für sie behaltenen ewigen Reichtümer und dem Trost, daß die Reichen hier ihren letzten Himmel haben, auch künftighin an sich zu fesseln. Man wird z. B. den Armen die ihnen bisher schon so sauer gemachten Vorfreuden des Ehestandes noch mehr versäuern und womöglich ganz nehmen. Dieses Mittel der Kultur und Bezähmung wilder Naturen wird den Geldbeuteln zum Opfer fallen müssen. Überhaupt macht sich die Geldbeutelweisheit in diesem Gesetz sehr breit, und ich danke Gott, daß meine erste Armut in frühere Zeiten gefallen ist, wo die Kunst, die Armen noch ärmer zu machen, noch nicht im Ansehen von heute stand. Tausend Grüße. Schreibe bald Deinem Freunde

K. Moosbrugger