AN JOSEF FEUERSTEIN IN BEZAU

lfndenr: 
226
1. September 1866

Lieber Freund!

Von meiner Reise glücklich und vergnügt zu Hause angelangt, hab ich mich gestern an Elsensohns Sagen gemacht und will nun Dir und unsern Freunden (Förster etc) meine Gedanken kurz mittheilen. Gottlob! noch selten hat ein Buch einen so ungünstigen Eindruck gemacht wie dieses. Man   müßte,   um   daran   Genuß  zu   finden,   so   ganz   alles Schwunges, aller Poesie baar sein, wie das von uns Wäldern in der wunderlichen Vorrede behauptet wird. Das sind wir aber nicht was aus meiner Beurtheilung erhellen wird, die ich im Interesse der Wissenschaft und zur Ehrenret­tung der Wälder veröffentlichen zu sollen glaube. Also wir haben kein Gemüth - der Realismus beherrscht uns weil Elsensohn nicht noch mehr Sagen vorfand!!! Haben etwa halbwilde Völker Gemüth, wenn sie die Welt mit Teufeln bevölkern?

Ist in den im Dialekt gebrachten Sagen kein Gemüth? Und die alle sind von einem ächten Wälder nämlich von mir. Es wäre eine schöne Sache gewesen, wenn Herr Elsensohn das ange­geben hätte wie andere Gelehrte denen derselbe Mitarbeiter diente, doch dazu war der Herr Professor dem realistischen Wälder gegenüber zu - gemüthlich.

Gemüthlich? Sind es die vom Herrn E gebrachten Übersetzun­gen meiner dialektischen (?) Beiträge. Ein Vergleich wird lehren daß sie es nicht sind. Sie Sind aber auch ungenau um das gelindeste Wort zu brau­chen. Seite 10 übersetzt er Glishose in „eine von Schmutz glänzende Hose", und doch weißt Jederman daß das Wort Gliedshose einen Strumpf ohne Socken bedeutet. So geht es wenn man sich mit fremden Federn schmückt ohne daß man damit umzugehen weiß. Frag ihn doch einmal was eine Glieshose sei, damit Du für eine zweite Auflage ihm die nöthige Auskunft geben kannst, wenn ich bis dahin nicht Zeit finde, das anderwärts zu bemerken.

Das Buch könnte nämlich auch anderwärts gelesen und aus­geschrieben werden und eben darum hat vieles in demselben mich so geärgert. Um noch so gelinde als möglich zu reden ist es wunderbar, daß ein Professor dem seine Wissenschaft seine Religion sein sollte diese so behandelt, daß er vor Fäl­schungen nicht erröthet und die Stirn hat, so etwas mit gelehrtem Aparat zu behangen, und realistisches Zeug mit gemüthvollen Lügen aufzuputzen.

„Aber wegen einer Glieshose so viel Staub aufwerfen ist doch zu arg."

Als ob das die einzige Fälschung wäre. Seite 9, um ein Beispiel anzuführen, findet sich der gesottene Kuhhirt von der Alp Schiedein. Diese Alp kenne ich als ihr Besitzer und langjähri­ger Pfister doch auch ein wenig, die erwähnte Sage aber habe ich nie gehört.

Nun solche alten Geschichten sind eben zu Grunde gegan­gen. - Gut aber die alte Schiedel ist meines Wissens nie zu Grunde gegangen und wenn Herr Professor etwa das zugeste­hen, so ist ganz klar, daß die Geschichte vom gesottenen Kuhirt bis zum Jahre des Unheils 1866 noch von keinem Auge gesehen und von keinem Ohr gehört wurde. Urkund dessen:

Jede Sage paßt auf den ihr untergelegten Boden wie eine Faust auf ein Ohr. Die Sagen würden wenig Glauben finden wenn man sie in die Luft hängte, wenn sie nicht fruchtbaren Boden fände[n]. Jede Sage wuchs aus dem Boden, dem Fluß dem Felsen heraus, das weis ich bestimmt vom lesen, leben und beobachten. Herr Elsensohn aber scheint das nicht gewußt zu haben trotz den von ihm in der Vorrede angeführ­ten Werken sonst würde er doch etwas geschikter naturgemä­ßer gelogen haben (Dichtung ist das nicht.) In dem mehr­erwähnten Gesage vom gesottenen Küher vernahm ich mit Staunen, daß der eigenthümlich verunglückte Küher aus der obern Alp (Hefte) einen Kessel holen wollte. Wer hat aber und wozu hat man den Kessel dort hinauf gebracht. Doch nicht etwa zum Sennen? Freilich wurde dort in den 30gerjah­ren ein kleiner Nothstall gebaut aber von einer Sennerei war, seit die Schiedel in jetziger Form da steht wol nie die Rede. Die erwähnte Sage müßte also eine vorsündfluthliche sein; in welchem Fall es dann allerdings begreiflich wird, daß ein realistischer Wälder sie nicht gehörig zu schätzen weiß. Ich für meine Person glaube nicht an Wunder, und erkläre daher die - Sage als eine derjenigen die bei uns nicht vor­kommen. Darum aber hab ich sie noch nicht weg geworfen. Da sie nicht einem so realistischen Volke entstammt, das aller Poesie bar, wird sie sich wenigstens in ihrer Tiefe und Gemüthlichkeit vor den Wäldersagen auszeichnen. ­Und wirklich:

Ein Alpknecht glaubt nicht an Gespenster und wird dafür von ihnen in einem Milchkessel - gesotten auf der obern Alp Schiedein.

Wie gemüthlich und poetisch, welche Tiefe und Höhe und dabei  diese Zartheit der  Empfindung  und  der tiefsittliche Grundgedanke so sagenhaft fein umduftet o o o ! Ich bin überzeugt, diese und ähnliche Sagen sind vom Her­ausgeber und diese Überzeugung läßt michs leicht erklären, wie Herr E ein Volk, zu dem er sich selbst zählt ungemüthlich und aller Poesie baar finden kann. Doch genug.

Dem Förster, der den Lassalleschen Stil auf die Briefschreibe­kunst angewendet zu sehen wünschte, kannst du dieses zei­gen. Ich habe eine Abschrift behalten die ich vielleicht benüt­zen werde —

Der Salzhandlungsgedanke findet anklang. Eine Schwierigkeit ist die Ungleichheit des Fuhrlohns z B nach Egg oder hieher, da dieß eine Doppelrechnung nöthig macht. Ich habe so mei­nen Plan, aber ich möchte lieber den Deinen hören.

Mit so herzlichen Grüßen, wie man es von einem der realisti­schen, aller Poesie baaren Wälder nur erwarten kann ver­bleibe ich Dein treuer Freund

Franz M Felder

lachend über das rothe Fuder Heu, das Herr Elsensohn uns in den Stadel stellte.

Die Gartenlaube dankend erhalten. Meine Kritik konnte nur Beispiele herausnehmen von hier, mir scheint, auch Du soll­test ähnliche wissen müssen. Schreibe bald!!

Keine