FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
215
30. Juli 1866

Lieber Freund!

Friede nährt, Unfriede - verzehrt! Mit diesem suchte ein ärgerlicher Sprichwörtersammler sich zu trösten, als er, die Zeitungen wegwerfend, wie der sterbende Herder ausrief: O Gott! nur einen einzigen großen Gedanken. Die Glocken bimmeln wie Grabgeläut und die Fahne des Fatalismus wird den Gläubigen voran nach Au getragen. Alles betet, aber merkwürdiger Weise nicht um Vernichtung un­serer Feinde, das hat der Pfarrer ausführlich gesagt, man betet, damit das wahrhaft Beste geschehen möge. Wahrhaftig, der Krieg erforscht Herzen und Stimmen! Wo sind jetzt unsere Patrioten, die frommen, hoffenden? Ich bin hier wohl der Einzige, der noch nie umsattelte. Nun, Du kennst mich und willst wohl lieber von anderem hören. Nun, Du sollst!

So ruhig, wie Du meinst, ist es hier nicht. In freien Stunden ist mein Zimmer voll von Bauern, welche Zeitungen lesen und aufbegehren. Dieser Krieg hat doch das Gute, daß die Schoppernauer die Landkarte und den Pfarrer und sonst noch manches ein wenig kennen lernten. Der Baum der Erkenntnis wirkt aber furchtbar und Du als Beamter mit richterlichen An­wandlungen würdest erschaudern, wenn ich Dir zu viel davon erzählte.

Gar so dorfgeschichtlich still und ruhig, wie Du Dir denkst, ist's auch hier nicht, während unsere Regierung und a. die Früchte ihres Wirkens - genießen. Auch hier kann man viel erfahren und sich ärgern, bis man genug hat. Aber verdammt ruhig ist's doch! Seit langem hab ich keinen Brief aus Deutsch­land herein erhalten. Die Post nimmt auch keine nach Leipzig mehr an, und ich habe mich daher bereits an Stettner in Lindau gewendet. Der Demokrat ist mir seit dem 22. d. M. nicht mehr zugegangen. Die letzte Nummer erzählt von einem - Unwohlsein des Kaisers!... Daß ich jetzt zum Schrei­ben wenig Lust habe, wirst Du begreifen. Nur eine Beschrei­bung meiner Reise auf den Tannberg ist zustande gekommen. Ich werde Dir das Manuskript auf Verlangen zuschicken. Die Gartenlaube ist in Preußen nicht mehr verboten. Ich werde mich rühren, sobald sich der Himmel zu klären beginnt. Meine Stellung wird freilich schwierig, aber ich werde dafür sorgen, daß man mich nicht mit aufräumt. Die Sonderlinge haben in mancher Beziehung Wert, und was der heurige Sommer zur Gärung bringt in einem Schmerzenskind wird in Deutschland draußen auch noch freundlich aufgenommen werden! - Wie gefällt Dir mein „Standpunkt"? Mancher wür­de mir wohl zurufen: Diene der heiligen Sache des Vater­lands! Nun, dem Vaterland will ich dienen mit aller Kraft und dem, was mir heilig ist. Ich bin froh, daß ich Boden gefaßt habe, von Leipzig aus wird sich schon noch etwas tun lassen. Wenn auch vielleicht nicht immer Romanschreiben. Die Briefe meiner Landsleute erzählen von furchtbaren Stra­pazen der Kaiserjäger, Hunger, Durst, Kälte, lange Märsche und eine Behandlung! Mein Vetter warf beim Springen aus Müdigkeit nach dreitägigen Strapazen den Tournister weg und nun schreibt er von Wien aus um Geld, da er alles auf eigene Kosten anschaffen muß. Eine Kugel hat ihm den Bart weggerissen. Doch Du wirst genug Ähnliches hören. Eisen­sohn ist gekommen und kann das humane Auftreten der Preußen nicht genug loben. Die gegenteiligen Berichte der Zeitungen nennt er Lügen. Auch Stülz von Bezau stimmt diesem bei. Du glaubst gar nicht, wie schnell sich hier jetzt Nachrichten verbreiten. Von der Schlacht bei Königgrätz und der Abführung der drei Generäle hörte ich in Hinterhopfreben schon am 5. Juli. Es liegt etwas ganz Eigentümliches in der Luft. Hier kennt man manchen kaum noch. Gelogen wird beim Hin- und Hertragen von Neuigkeiten weniger als in den Zeitungen, worüber sich mancher wundert. Die Neue freie Presse hat hier schon viele Freunde. Neulich sagte einer sogar: Was nicht in der stehe, das möge er nicht hören. Über das neue Volksblatt wird viel gelacht - schimpfen mag man nicht. Und nun genug Politik!

Es wird aber darum nicht erbaulicher, denn die steckt überall mit drin. Ohne die jetzt gut bezahlte Stickerei gehen die Ge­schäfte schlecht. Da und dort sagt man vom Verderben. Zuerst hat Dein Vetter und Nachbar, Muxels Josef, dran sollen. Er aber glaubte das nicht überleben zu können, daher nahm er einen Strick und erhängte sich. Der geldstolzen Verwandt­schaft ist es dann gelungen, ihn für verrückt erklären zu lassen. Man glaubt das nun auch allgemein (?), und nur der Kaplan von Au arbeitet daran, ihn auf dem Friedhof wieder ausgraben zu lassen. Sonst ist bisher noch niemand verrückt, aber man weiß doch nicht, wie es noch geht. Mich hält man nicht mehr gerade für einen Narren, ja ich nehme zu an Wohlgefallen, und wenn auch heuer vielleicht meine Gesell­schaft noch nicht zustande kommt, so ist doch der Gedanke noch lebendig und zündet wieder, seit ich Hopfreben verlassen habe. Auch unsere Nachbarn, die Waiser, reden jetzt fleißig davon. Sie haben die Statuten von mir durch einen Boten holen lassen und schreiben, daß der Gedanke gefalle. Ich halte dieses Volk, wohlhabend und von edlem Gemein­geist beseelt, für ganz geeignet, den Anfang zu machen und den Wäldern ein Beispiel zu geben.

Vielleicht reise ich nächstens, statt nach Leipzig, ins Walser­tal, um etwas zu tun, zu erleben, neue Gedanken zu sammeln und ein wenig aus dem verdammten Dreck hinauszukommen. Feurstein in Bezau, sicher einer der tüchtigsten Wälder, schrieb mir letzthin u. a.: Ich danke Dir herzlich für die geschickten Bücher, denn die Zeitungen ekeln mich ordentlich an. - So ist's mir noch nie geworden. Ich verfolge die Be­gebenheiten mit größter Aufmerksamkeit und erprobe meine Divinationsgabe. Sonst findet mich Feurstein in meinen Grundanschauungen ihm ziemlich verwandt, was mich aber nicht etwa zu obigem Lob begeisterte. Er hat am 30. Juni in Schröcken auf mich gewartet und wir haben uns trefflich unterhalten. Allerlei Pläne wurden da gemacht, von denen Du hören wirst, wenn sie sich verwirklichen. Dr. Greber sauft und flucht und soll mich nun vernichten wollen. Das, Freund, gibt keinen Krieg!

Josef Natter hat letzthin beiliegenden Brief geschrieben. Ich glaube, es wird Dich freuen, etwas von einem Schneider in der Fremde zu hören, besonders von diesem, da ich Dir schon früher von ihm erzählte. Er ist nun 20 Jahre alt. Sei so gut und schicke mir den Brief und Deine Antwort auf diesen bald wieder zurück.

Obristleutnant Kohler von Au (Argenstein) wurde in der Schlacht bei Custozza erschossen. Ebenso Walch von Schrök­ken bei der Landwehr. Bierners Knecht hat gestern geschrie­ben und sein Wohlbefinden gemeldet.

Daß die Isabell unter günstigen Verhältnissen etwas werde, hab ich immer erwartet. Es freut mich, Gutes von ihr zu hören. Ich bitte, sie freundlich zu grüßen und ihr folgendes zu melden:

Mit meinem Nachbarn bin ich sehr zufrieden, auch der Jakob ist gern dort, doch hat er Dich und das Bäsle noch nicht ver­gessen. Sprengers Anton ist Geißhirt, der Hans ist krank aus der Fremde gekommen, auch der Konrad und andere Fremd­ler klagen, daß ihnen die Arbeit bald ausgehe. Severin Felder ist da, Strolzen Josef soll verwundet sein, der Thresel [?] ist lustig, die Mutter gesund. Die Kaminfeger Familie hat Händel mit dem Pfarrer, das Büblein, der Josef, ist im Schwabenland gestorben. Die meinen sind gesund und wohl und ich hoffe, von Dir bald das Gleiche zu hören. So viel für Isabell. Mit der täglichen Post bis Schoppernau wird's Ernst, es sind schon mehrere Bewerber da. Das hab ich klug gemacht, darf ich sagen, denn ich habe gezeigt, daß ich meine Leute sehr gut kenne.

In den nächsten Tagen wird Elsensohn kommen. Ich bin begierig, diesen in Bezau schon berühmten Schwätzer ken­nenzulernen. Sonst sieht man selten einen Reisenden. Hie und da bringt einer Neuigkeiten und läßt zufällig ein demo­kratisches Blatt liegen. So z. B. im Schröcken. Doch ich komme, auf was ich nicht mehr kommen will und doch immer wiederkomme, drum höre ich für heute lieber auf.

Mit zehntausend Grüßen Dein schreibmüder zeitungskranker weltschmerzlicher aus dem deutschen Bund ausgeschlossener de- und wehmütiger über alles zorniger Freund

Franz Michel mit der [. . .]

Frohe Wanderschaft

 

Willst du reisen froh wie ich, Meide das

Gepäcke, Dieb und Schmeichler kümmern

sich Nur um volle Säcke.

 

Wer dem armen Wanderer Nicht die Tür

verschlossen, Reich ersetzt, o Freund, dir der

Deines Glücks Genossen.

 

Ohne dich zu achten fährt Stolz und Geiz

vorüber, Wer sich jetzt noch treu bewährt Sei

dir um so lieber.

 

Deines Innern Abbild ist Jegliches

Verhängnis, Du bist Maler- Farben mischt

Hoffnung und Bedrängnis.

 

Sing ein frohes Lied dabei, Das die Herzen

rühret Und ein Mädchen gut und treu Dir

entgegen führet.

 

So geht's froh durch's Leben hin Auf dem

Pfad der Weisen, Leicht Gepäck und leichter

Sinn Macht ein lustig Reisen.

 

Franz M. Felder

Das  ist ein Zeugnis  meiner  innern  Umkehr,  ich  bitte  um Deine Meinung über das Gedicht, da ich es gelegenheitlich zu veröffentlichen gedenke. Ich glaube, daß bald auch ändern diese Stimmung so wohl tun würde als mir. Bitte bald!

am 31. Juli

Keine