AN JOHANN JOSEF FELDER IN BORDEAUX

lfndenr: 
34
3. September 1860

Mein theurer Freund!

Ich beeile mich, Dir auf Dein werthes Schreiben vom 26/7 zu ant­worten. Den ich sehnte mich sehr nach Deinem Schreiben, damit ich den vorigen Brief wieder vergesse, bei dessen Kälte mich noch fror. - Du schreibst mir, daß Du entschlossen bist, weiter zu reisen, u da möchte ich Dich fragen, Wirst Du nicht bald heim­kommen ins land, wo liebende Herzen Dir entgegen schlagen u

-  wo nun die Erdäpfel wieder zeitig sind, wo jeder Esel ein ­Philosof ist, u jedes Schaf Gedankenfreiheit hat. O so gern möch­te ich wieder einmal bei Dir sein. Ich habe hier viele Kamerathen aber-wenig Freunde. Ich habe Bücher u bin bei ihnen lieber, als in der lautesten Gesellschaft, aber etwas findet dann doch jeder, der sucht

Ich weis nicht ob Du den Joh Kaspar Mosbrugger aus Au ge­kannt hast, er war Student als Du noch hier wärest u seine Arbeit, wenn er zu Hause war bestand darin, seine jüngste Schwester, die sehr viel Talent zeigte, etwas mehr auszubilden, als dies sonst bei Mädchen hier geschieht. Aus dem Studenten ist nun ein Hr Aktuar geworden, er ist in Ungarn, und Nannj ist allein obschon sie noch 4 Geschwister hat, ist sie doch alein wie - ich. In Hopfreben lern­ten wir uns vor 4 Jahren kennen, Du hast gewis schon Romane gelesen u ich darf daher mit dem meinigen hier reden, nur noch so viel: ich habe in ihr ein Herz gefunden, das mich ganz versteht u dem ich alles mittheilen darf. Gott Amor wird weiter helfen!

------  Entschuldige mich, mein Freund, nun kommt eine kleine

Schwätzerei! Bei den Geschwistern Deiner Stiefmutter ist Krieg ausgebrochen weil es sich darum handelt das gesammte vermö­gen zu theilen. Ferdinand verehlicht sich ganz bestimmt noch dies   Jahr   mit   der   Tochter   des   Bekmülers   am    Ünschen (Musmehlenpedder) der Alte ist am 26 August endlich gestorben. Auch  der Joh Jakob Albrecht  Bruder des  Lehrers  heiratet die Margaretha Tochter des Xaver Albrecht. Sonntag den 26 Aug. war Kirchweih in Au. Ich war auch dabei, habe mich recht gut amüsirt. Die Musik in der Sonne war - süperb, würdest Du sagen. Das Wetter war schön was sonst selten der Fall ist imer Regen u Schnee. Seit dem 1. Juli hat es 19 Mal in die Berge geschneit. Es gibt wenig Heu u viele Engerlinge die in Schoppernau großen Schaden thun. Im Walserthal wurde der Ztner Käse für 33 fl Papier (gut) verkauft. Die 1858 geschlagenen Mautmünzen haben Ihren Glanz verloren wie die Verfassung. Unserm Freund Jochum geht es auch nicht immer gut, er war lange krank in Wien, ich bitte Dich, schreibe ihm einmal, seine Adresse werde ich Dir mittheilen. Dein Vater ist gesund u wohl doch hat er sehr gealtert, er lebt zufrieden mit seinem Weibe, u raisoniert zur Unterhaltung alle Werktage auf Napoleon. Vorarlberg ist auch um 150 Jesuiten - reicher geworden die sich weis Gott wo, flüchten mußten, u

sich im Oberlande einzubauen gedenken.------ Der Napoleon ist

aber doch ein rechter Grossprecher, hast Du die stolze Rede gele­sen die er an das Volk zu Lion hielt. Die allgemeine Zeitung hat sie ihm schlecht ausgelegt. Doch

Verloren ist der Augenblik

in dem Du redst von Politik

Nicht wahr, dieser Brief ist so zerstreut [als] ob ich das darin ent­haltene beim Mondschein zusamen geworfen hätte. Verzeih mir, ich habe gestern wenig geschlafen u würde Dir heut gar nicht schreiben wenn ich hoffen dürfte den morgigen Tag frei zu haben. Deine Schwester lebt u ist gesund sie spricht noch oft u gern von Dir u es würde der schönste Tag ihres Lebens sein wenn sie Dich wieder hörte, sähe, sollt ich sagen, aber das Licht ihrer Augen nimmt scheint es mir leider stets ein wenig ab. Ich war eben bei den Deinen u alle wünschen Dich recht bald zu Hause in ihrem Kreise zu haben auch ich wünschte das wie viel hätten wir uns zu sagen denn auch ich habe viele Erfahrungen gemacht ich darf sagen ich bin nicht mehr, der ich war. Ich habe auch die ernsten Seiten des Lebens kennen gelernt. Ich hatte viel zu kämpfen mit mir selbst u dem Schiksal, doch ich habe Ruhe gefunden, nach­dem ich mich ganz mit Herz u Seele an ein liebes Wesen anschmiegen durfte. Ich habe erfahren, was es heist dem Tod ins Angesicht sehen. All das ist nun vorüber, nach meiner Ansicht ist ein stilles ruhiges Familienleben das schönste. Selbst Sorgen u Arbeiten für die, die man liebt ist süß. Ich habe meinen Theil an der Alp Schiedein an die Ändern verkauft u habe nun weid auf Aufeid, ich habe mir dadurch ein ruhigeres Leben angeschafft u bin jetzt beinahe Schulden frei, u kann also sorglos sein wegen meinem Fortkommen: Möchtest Du es nicht auch so? - Deine Mutter! (so erzählte mir neulich Deine Schwester), sagt dem Vater immer Du kommst nie mehr. Du wirst wissen warum sie das sagt. Du schreibst mir, Du wollest noch nach England reisen. Das freut mich natürlich wenig, weil ich Dich lieber Heim kommen sähe. Aber thue was Du für das Beste hallst, nur vergiß nicht, zuweilen an mich zu schreiben, ich habe Dir nun manches mitgetheilt, das mir wichtig schien, u auch meinem Freunde nicht gleichgültig sein wird. Sonst weis ich wenig andres von hier der Viehpreis ist immer hoch es werden 3 Jahre alte rinder für 214-230 Gulden verkauft Kühe mittler Art 120 fl Kälber 3/4 Jahr alt 40-50 fl. Hochzeiten habe ich Dir schon 2 geschrieben, und mehr weis ich nicht. Josef Oberhauser hat von der Regierung 15 fl dafür erhal­ten daß er mich mit eigner gefahr aus dem Wasser zog, also ist mein Leben 15 fl werth! - Am selben Tag als mich jenes Unglück traf hat man den Joh Josef Bischofberger vergraben. Wenn du wie­der an Deinen Vater schreibst so bitte ich Dich, folgendes nicht zu vergessen: das Gugarbüable ist bei [uns] Heuer und Isabella Simma [...] u dieses Paar karesirt hinter seinem Rücken nach Herzenslust, mache ihn daher im Scherze auf seine Pflicht als Herr des Hauses aufmerksam.

Lebe wohl u schreibe bald wieder wie es Dir geht u wo Du bist bleibe der Alte das heißt mein Freund, nochmahl, lebe wohl lie­ber Seppel Mit Brudergruß u Handschlag

Dein AMI F M Felder

Alle Deine u meine Freunde

lassen Dich grüssen vor allem                        Jochums Adresse

Dein Vater, Mutter u Schwester                               F X Jochum

auch meine Mutter u noch                                    Jurist in Wien

viele viele viele                         (Abzugeben auf der Universität)

 

Keine