FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
169
2. März 1866

Lieber Freund!

Theresens Briefchen hab ich vorgestern erhalten und sogleich mich daran gemacht, ihren Wunsch zu erfüllen. Ihre künftige Magd ist das Mädchen, von dem ich Dir erzählte. Ich schwankte zwischen dem und einem andren Mädchen, wel­ches schon zwei Jahre im Rößle dient. Ich habe das Meine getan und der Zufall hat entschieden!

Die Isabell ist 15 Jahre alt und fast so groß als ich; denke aber nicht an ein Mannweib! Sollte Dir ihr stilles, für ihr Alter ernstes Wesen auffallen, so muß ich Dich zum voraus an ihre freudearmen Kinderjahre erinnern. Seid Ihr ihr Vater und Mutter, denn ihre Mutter ist tot, ihr Vater - doch sie wird nicht gern davon reden - also ihr Vater ist ein Mensch, dem man das Kind nicht zu sich ins Armenhaus nach Seh rocken lassen würde, wenn es auch möchte. Ihre 4 Ge­schwister sind da und dort. Doch genug von dem, daß das Mädchen Euch gefällt, daran zweifle ich nicht. Ich wüßte viel Gutes von der Isabell zu sagen, doch da ich oder sonst jemand, die noch kaum über Au hinaus Gekommene in etwa 8-10 Tagen bringt, so habt Ihr bald Gelegenheit, sie kennen­zulernen und mich zu loben.

Meint aber ja nicht, daß sie bei dem alten blinden Weible alles habe lernen können, was sie nun können - sollte. Die Therese soll ordentlich zu  ihr sehen, soll der Verlassenen Freundin, Mutter werden oder Kreuzhimmeltausend!!! Bald mehr hievon, die Isabell hat gesagt, sie wolle selbst an die Frau schreiben und den Brief beilegen. Die liebe Käs- und  Kinderlehrgeschichte wird  noch  immer interessanter. Wie es hier jetzt ist und ähnliches werde ich Dir selbst berichten. Für heut nur so viel, geärgert hat mich's gar nicht, denn es war zu lächerlich. Ich wollte Dir die Geschichte des langen und breiten darstellen, aber sie kam mir bald so unbedeutend vor, daß ich mir keine Zeit mehr dazu nahm, weil ich doch lieber die Sonderlinge im Entwurf zu Ende bringen wollte, was nun geschehen ist. Bis im Mai oder Juni hoffe ich auch mit der verbesserten Abschrift fertig zu werden.

In diesen Tagen gedenke ich eines Verlegers wegen die ersten Schritte zu tun und an Dr. Hildebrand in Leipzig zu schreiben. Den ersten Band hab ich bedeutend geändert und das Kapitel vom Küher viel kürzer gemacht. Sepp und Klaus­melker treten nun noch etwas nackter, Franz etwas unerfah­rener, weiblicher (d. h. hier gemütlicher) auf. Der Aufsatz über die Hochzeitsreise wird wohl nicht geschrieben, wenig­stens nicht so, wie ich's einst wollte. Glaube nicht, daß es mir je möglich sei, mit Taglöhnersinn auszuführen, was mir der Finanzminister befehlen will. ­In Gottsnamen, es geht nicht!

Deinem Weible sage: Ich sei noch nicht Strohwitwer, wenn es aber glaubt, daß ich als solcher nicht irgendwohin „mein gutes Auskommen finden möchte", dann kennt es die Bre­genzerwälder noch schlecht. Ich werde das in einem Gedicht anschaulich machen, für jetzt nur so viel:

Im Haus regiert die Pflegerin, Vom Küchenfeuer

rot, Die wütende Zerlegerin Von süßem Eierbrot. ­

Den Satz nur kriegt der arme Mann, Vom

Tränklein, das ihr wohl getan. O nicht mehr

Hausherr ist er, Nur Stallbub noch und Pfister!

Diesmal war ich noch fast poetisch geworden, wie prosaisch auch die Sache ist; ja, so etwas muß man hier lernen, wenn man noch dann und wann einmal poetisch werden, d. h. Verse machen will.

Peters Sattler, dessen trauriges Ende ich Dir letzthin meldete, hatte schon englisch zu lernen angefangen, da er fest ent­schlossen war, bald nach Amerika zu gehen. In 8-10 Tagen reden wir vielleicht mehr, wenn das Wetter und die Verhältnisse mir die Reise erlauben. Ich würde Dir dann auch  noch ein sehr interessantes Stückle vom  Buben des Winkeladvokaten Rüscher in Reuthe erzählen. Heut nachmittags geht das Wible nach Schrecken hinab zur Stubat; ich aber bleibe daheim und schreibe, da es doch zum Fuhrwerken zu wenig Schnee hat.

Ich war im Leben einmal im Oberland, und zwar bei Nebel­wetter, daher zweifelt die Mutter, ob ich Dich finden werde. Sie schlägt vor, den Pius zu schicken. Diese Angelegenheit wird vom Wible in Schrecken noch heute geordnet. Lebt recht wohl und gedenkt freundlich des jetzt von From­men und Gottlosen fast als Märtyrer geehrten Freundes

Franz Michel Felder

Keine