VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
480
9. Februar 1868

Lieber tapfrer Freund,

Ich kann den Sonntag nicht vorüber lassen, ohne brieflich an Dich zu denken. Ich habe lange nicht so mit Wärme und Interesse nach Schoppernau und an Dich gedacht als in die­ser Zeit, und mit mir Deine hiesigen Freunde. Leid thut es uns freilich, daß Dich die Kämpfe für Licht und Recht von Deinem gemüthlichen Schreibtische wegziehen. Aber ich denke mir Dich auch gern als Vorkämpfer des Guten, ja ich beneide Dich im Grunde darum. Und doch möcht ich Dich bitten, Dich so bald es irgend geht, wieder davon los zu machen, daß Du zu Deiner Hauptaufgabe kommst. Wie steht es denn jetzt mit der Wahlsache? Ich bin höchst begierig .. . In der N. freien Presse war ja in einem Bericht aus Vorarlberg von Feuer zu lesen, das die Gegner in die Wahlurne gewor­fen hätten. Ist das möglich?! Da hätten sie ja euch die beste Waffe gegen sich in die Hand gegeben! Erfreulich ist mir daß der gute Felder so durchgekommen ist, grüß ihn doch von mir, der Club hat an seiner Heldenthat freudigen Theil genommen. Auch daß Du dabei mit Seifertitz in persönliche Berührung gekommen bist, ist mir außer­ordentlich angenehm; bitte, schick mir doch seinen ersten Brief an Dich einmal mit, ich möchte gern von Ton und Hal­tung seiner Ansprache an Dich einen Begriff haben. In Blu­denz und auf der politischen Reise hast Du doch an unsere poetische Wanderung damals gedacht? Ich habe in den Tagen von Bludenz hier viel erzählt, möchte auch gern einmal Dei­nen guten Schwager über diese Dinge hören. Auch die ver­sprochene Nummer des Volksblattes möcht ich schon sehen, ich schicke Dir sie wieder. Ich schicke Dir heute ewas Poeti­sches mit (zum Behalten), es war neulich im Schützenhause ein Concert, wo ich im Winkel sitzend und lauschend Dich lebhaft zugegen wünschte, besonders bei den von mir an­gestrichenen Nummern; laß Dir die Lieder einen Lichtblick in Deinem jetzigen Sturm sein, freilich hättest Du sie von den Wellen der Töne umspült hören müssen wie ich. Warum kannst Du nicht öfter hier sein!? Doch diesen Sommer — Eure Brixener werden jetzt blind und taub vor Fanatismus wie es scheint. In der Augsburger oder der Presse waren neu­lich Proben aus einem „Amuletft] für christliche Eltern und Kinder", die lustig waren; könntest Du mir etwa ein Exem­plar davon verschaffen? d. h. nur wenn Dirs ganz leicht zu­gänglich sein sollte, Du kannst es nach der neuen Postord­nung billig unter Kreuzband schicken. Auch Deinen Bericht in der östr. Gartenlaube möcht ich gar zu gern lesen. Glück zu zum weiteren Kampfe - nur kein Blut wieder! sondern kaltes Blut, Anton! sei um Gottes Willen euer Wahlspruch. Was sagst Du dazu, daß Deine Sonderlinge jetzt nach Holland gehen? Hirzel sagte mirs neulich mit Freude, ein einziger Amsterdamer Buchhändler hatte 8 Exemplare verlangt. Viel­leicht wird also in diesem Jahre eine zweite Auflage. Auch ich hab übrigens jetzt Kämpfe in Aussicht, mit Vor­urtheilen von Universitätsprofessoren; es würde zu lang sein dies brieflich klar zu machen. Unser Ministerium hat mich jetzt mit in eine Prüfungscommission für Philologen berufen, in der sonst nur Professoren Mitglieder sind. Meine Freunde sehen mich schon als Professor - doch ich rechne nicht etwa darauf. Bitte, vergiß doch nicht im nächsten Briefe mir folgende kleine Frage zu beantworten, ich brauche es fürs Wör­terbuch. In den Sonderlingen 2, 210 kommt vor: Der Barthle läßt sich nie so auskommen, daß . .. Das hab ich doch richtig erklärt? Sagt ihr aber nicht auch: er läßt sich nicht auskom­men mit Geldeoder ähnlich? Bitte vergiß nicht mich zu belehren.

Deine Liebeszeichen haben wir im Club in 3 Abenden ge­lesen (d. h. ich habe sie gelesen), uns herzlich dran gefreut; es ist echte Poesie drin, obwol in der Exposition auch hie und da kürzer verfahren sein könnte. Aber an den entscheidenden Stellen trifftst Du die Stelle im Herzen, wo die echte Poesie sitzt, mit voller Wirkung! Doch blieben uns einige Fragen. Heute nur noch die eine. Mehrere von uns meinten, die Philomena komme für ihren Leichtsinn zu gut weg, werde zu wenig gestraft gegenüber der schweren Buße, die auf Franzsepp fällt; auch daß ihre Mutter nach dem schweren Aufbegehren übers Küssen dann so schnell wieder gut ist mit der Tochter, wollte nicht recht einleuchten. Ich habe Dich nach Kräften vertreten, möchte aber wissen wie Du Dich dar­über aussprichst, und bin eigentlich beauftragt, Deine Äuße­rungen darüber einzuholen. Du wirst jetzt freilich dazu nicht Lust und Stimmung haben, es hat ja keine Eile. Doch mit dem Papier ist meine Zeit alle, schönste Grüße an das Wible usw., für Dich aber wünscht des Himmels Schutz

Dein R. Hildebrand.

Keine