VON JOSEF ELSENSOHN AUS TESCHEN

lfndenr: 
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20. April 1866

Hochgeehrtester Herr Felder!

Mit großer Sehnsucht sah ich Ihrer Antwort entgegen, und mit Befriedigung erfüllte mich der Inhalt Ihres geehrten Schrei­bens, besonders die Nachricht, daß Ihre Muse nicht verstummt ist, sondern daß wir in der nächsten Zeit wieder ein größeres Produkt zu erwarten haben. Es ist mir leid, daß Sie mich nicht mit dem Plane des Werkes im Allgemeinen bekannt gemacht haben. An Dr. Hildebrand haben Sie den rechten Mann gefunden u. ich gratuliere Ihnen zu dieser Bekanntschaft. Er war der Einzige, dem man die Aufgabe, das Grimmsche Wörter­buch zu beendigen, zumuten konnte. Sollte Ihr neues Werk wider ähnlich dem frühern werden, so erlaube ich mir bei gänzlicher Aufrechterhaltung meiner vollsten Anerkennung den Wunsch auszusprechen, Sie mögen, da Sie nun einmal nicht für bloße Gelehrte, Sprachforscher, u. Altertumskenner schreiben, in die ganze Handlung mehr Abwechslung u. wie es das Romanpublikum nennt, mehr glänzende Effekte brin­gen. Wie gesagt, ich lege darauf kein Gewicht, u. bin Ihnen ewig dankbar, daß Sie das Bregenz. Volk so wahr u. klar gemahlt haben.

Was nun Ihre freundliche Zusage anbelangt, mir einige Bei­träge zu liefern, erlaube ich mir, Sie höflichst zu bitten, sie mir bis längstens 27. Mai zukommen zu laßen, da die Abhandlung für unser Gymnas. Programm bestimmt ist, welches bis zum 24. Juni schon gedruckt sein muß. Da Ihnen Sagen über Gei­ster Hexen, auch Lokalsagen ohne Zweifel bekannt sind, so dürfte Ihnen die Sache wenig Schwierigkeit machen. Anders steht es bei mir. Meine eigentlichen Kenntnisse erstrecken sich hauptsächlich auf die alten u. neuen romanischen Spra­chen. In der deutschen Litteratur bin ich nur ein großer Dilet­tant. Ich studiere fleißig Grimms u. Simrock's deutsche Mythologie, Zingerle's, Ritter v. Alpenburgs, Vernalekens, Grimms, Bechsteins, Dr. Vonbun's Sagen, allein es will sich der Stoff noch nicht zu einem gefälligen Ganzen formen laßen. Das Feld, auf dem ich mich herumtummle, ist mir ganz neu. Ich will die Sagen des innern Bregenzerwaldes zusam­men stellen, u. wo es geht mit denen anderer Länder verglei­chen. Einige davon dürften nur bei uns vorkommen, oder wenigstens eine eigentümliche Färbung erhalten haben. Indem ich herzlich grüße u. meine Bitte dringend widerhohle verbleibe ich

Ihr Freund u. Landsmann

Jos. Elsensohn

 

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