VON JOSEF ELSENSOHN AUS TESCHEN
Hochgeehrtester Herr Felder!
Mit großer Sehnsucht sah ich Ihrer Antwort entgegen, und mit Befriedigung erfüllte mich der Inhalt Ihres geehrten Schreibens, besonders die Nachricht, daß Ihre Muse nicht verstummt ist, sondern daß wir in der nächsten Zeit wieder ein größeres Produkt zu erwarten haben. Es ist mir leid, daß Sie mich nicht mit dem Plane des Werkes im Allgemeinen bekannt gemacht haben. An Dr. Hildebrand haben Sie den rechten Mann gefunden u. ich gratuliere Ihnen zu dieser Bekanntschaft. Er war der Einzige, dem man die Aufgabe, das Grimmsche Wörterbuch zu beendigen, zumuten konnte. Sollte Ihr neues Werk wider ähnlich dem frühern werden, so erlaube ich mir bei gänzlicher Aufrechterhaltung meiner vollsten Anerkennung den Wunsch auszusprechen, Sie mögen, da Sie nun einmal nicht für bloße Gelehrte, Sprachforscher, u. Altertumskenner schreiben, in die ganze Handlung mehr Abwechslung u. wie es das Romanpublikum nennt, mehr glänzende Effekte bringen. Wie gesagt, ich lege darauf kein Gewicht, u. bin Ihnen ewig dankbar, daß Sie das Bregenz. Volk so wahr u. klar gemahlt haben.
Was nun Ihre freundliche Zusage anbelangt, mir einige Beiträge zu liefern, erlaube ich mir, Sie höflichst zu bitten, sie mir bis längstens 27. Mai zukommen zu laßen, da die Abhandlung für unser Gymnas. Programm bestimmt ist, welches bis zum 24. Juni schon gedruckt sein muß. Da Ihnen Sagen über Geister Hexen, auch Lokalsagen ohne Zweifel bekannt sind, so dürfte Ihnen die Sache wenig Schwierigkeit machen. Anders steht es bei mir. Meine eigentlichen Kenntnisse erstrecken sich hauptsächlich auf die alten u. neuen romanischen Sprachen. In der deutschen Litteratur bin ich nur ein großer Dilettant. Ich studiere fleißig Grimms u. Simrock's deutsche Mythologie, Zingerle's, Ritter v. Alpenburgs, Vernalekens, Grimms, Bechsteins, Dr. Vonbun's Sagen, allein es will sich der Stoff noch nicht zu einem gefälligen Ganzen formen laßen. Das Feld, auf dem ich mich herumtummle, ist mir ganz neu. Ich will die Sagen des innern Bregenzerwaldes zusammen stellen, u. wo es geht mit denen anderer Länder vergleichen. Einige davon dürften nur bei uns vorkommen, oder wenigstens eine eigentümliche Färbung erhalten haben. Indem ich herzlich grüße u. meine Bitte dringend widerhohle verbleibe ich
Ihr Freund u. Landsmann
Jos. Elsensohn