VON JOSEF BERGMANN AUS WIEN
Lieber Herr Felder!
Nehmen Sie für Ihre Zeilen vom 29. April, die mir ein Landsmann überbracht hat, meinen verbindlichen Dank. Leider habe ich diesen Landsmann nicht gesehen, somit auch nicht gesprochen, was mir recht willkommen gewesen wäre, indem ich stets gern Etwas über unsern Wald vernehme. Vorgestern habe ich aus Leipzig her Ihre „Sonderlinge" erhalten, bin aber wegen mehrerer Sitzungen, denen ich beizuwohnen hatte, bisher verhindert worden deren Lectüre anzufangen. Indeß sage ich Ihnen für Ihre Gabe meinen schuldigen Dank, werde aber bedacht sein für dieselbe etwas Entsprechendes zu übersenden.
Da ich wegen meines Katarrhs keine Besuche mache, konnte ich auch nicht an der partienweisen Vorlesung Ihrer ersten Publication, nämlich Nummamüllers, Theil nehmen, die bei einer angesehenen u. gebildeten Dame gehalten wurde. Wohl war meine Tochter zugegen, der Vorleser, selbst ein Poet u. Beamter an der kais. Hofbibliothek, war über dieses Lebensbild ganz entzückt u. erfreute die ganze Gesellschaft. Es steckt in demselben Wahrheit u. eine Frische wie Alpenluft; der Leser soll ausgesprochen haben, er besorge nur daß Sie von der einfachen Natur, die so wohlthuend bezaubert, abirren, u. sich vom vielen Lobe verleitet mehr dem Kunstroman anheimfallen.
Bewahren Sie treu die Eindrücke der Mutter Natur und folgen Sie treu ihrer wahren Stimme!
Jener oberwähnte Vorleser, der eine gute Feder führt, will nach meinem Wunsche seiner eingehenden Anzeige Ihrer beiden Publicationen als Unterlage einen lebensgeschichtlichen Abriß vorausschicken, wann u. wo Sie geboren, u. wie sie zu dieser Richtung u. Ausbildung gekommen, wer und was vorzüglich auf Ihre Entwicklung Einfluß genommen hat. Den Stufengang der Lectüre, der nicht gleichgültig ist. Diese Notizen wollen Sie mir, wenn thunlich recht bald in aller Einfachheit zukommen lassen.
Leben Sie recht u. verleben Sie einen glücklichen Sommer in den Bergen, in denen ich auch noch einmal vor meines Lebens Ende übersommern möchte! Mit herzlichem Gruße Ihr wohlmeinender Landsmann
Jos. Bergmann /:lll. Rennweg Nr. 6:/