VON A. E. BLÖDT AUS KONSTANZ

lfndenr: 
369
27. Juni 1867

Geehrter Herr und Freund!

Meinem Versprechen gemäß erhalten Sie hiermit mein Con­terfei. Es schaut zwar finster in die Welt hinaus, demungeach­tet scheint im Herzen des Originals die Sonne. Da Sie von den Rittern des Löschhornordens für einen Frei­maurer verzollt werden, so  übersende  ich  Ihnen zugleich meine in der hiesigen Zeitung vom 11 Jänner v. J. veröffent­lichte Beantwortung der Frage: Worin besteht das Wesen der Frmrei?

die mir verschiedene, jedoch ganz unschädliche Angriffe zugezogen hat. Hoffentlich wird es Ihnen möglich, Wort zu halten und mich im Laufe dieses Sommers zu besuchen. Die Meinigen lesen mit großem Eifer „Nümmamüllers" p. p. und freuen sich außerordentlich, den Mann persönlich kennen zu lernen, der so volksthümlich und ansprechend zu schreiben versteht.

Mit inniger Freude gedenke ich der mit Ihnen verlebten Stun­den, die ich leider nicht so habe benutzen können, wie es hätte geschehen sollen, weil ich von meiner langen Fußwan­derung zu sehr ermüdet war. Wenn mir das Vergnügen zu Theil wird, Sie hier im Kreis meiner Familie begrüßen zu kön­nen, so werde ich mich, das Versäumte nachzuholen bestre­ben.

Mit den herzlichsten Grüßen an Sie und die lieben Ihrigen Ihr ergebenster

A. E. Blödt

Worin besteht das Wesen der Frmrei?

Über die Frmrei sind die abenteuerlichsten, von der abge­feimtesten Ausbeutung geistiger Unmündigkeit Zeugniß able­genden Gerüchte im Umlauf. Warum auch nicht? Versteht es sich doch von selbst, daß diejenigen, deren Ärntefeld die Fin­sterniß ist, den Credit des Vaters derselben, ihres Nährvaters, ungeschmälert zu erhalten sich abmühen, um in Einfluß und Einkommen keinen Schaden zu erleiden. Für den Einsichtigen hat es aber etwas das tiefste Herz Betrübendes wenn er auf Vorurtheile stößt, die mit dem böswilligsten Vorbedacht ein­geimpft erscheinen, und er kennt keine brennendere Sorge als die, zur Beseitigung solcher Vorurtheile nach Kräften bei­zutragen. Bezüglich der über die Frmrei verbreiteten soll das durch nachstehende, das Wesen der Frmrei offen darlegen­den Zeilen geschehen.

Der Kern der Frmrei besteht darin, daß sie von religiösem und politischem Glauben, von Stand, Vermögen, Nationalität und sonstigen Zufälligkeiten ganz absieht. Ob der an ihre Pforte Anklopfende Katholik sei oder Protestant, Jude oder Türke; ob er Aristocrat sei oder Democrat, Monarchist oder Republi­kaner; ob er arm sei oder reich, Deutscher oder Südseeinsu­laner: darauf kommt es nicht an, dagegen gilt als entschei­dende Bedingung der Aufnahme, daß er ein Mann sei von gutem Ruf, ein Mann, der alle seine Pflichten als Mensch und Staatsbürger gewissenhaft erfülle.

Die Frmrei erkennt alle Menschen auf dem ganzen Erden­rund für gleichberechtigt und verpflichtet, sich gegenseitig mit Rath und That beizustehen, ganz besonders aber weist sie diese Pflicht des gegenseitigen Beistandes jenen Männern zu, die sie in ihre Hallen aufgenommen hat. Sie arbeitet an der Verbreitung von Licht und Recht, den 2 Grundpfeilern der menschlichen Gesellschaft, und sucht demgemäß auch das Gefühl der Menschenwürde zu wecken und zu heben. Ihre Angehörigen sind durch das Band der Achtung und der voll­ständigen Gleichheit mit einander verbunden, sind Brüder im edelsten Sinne des Wortes.

Die Thätigkeit der Frmrei ist sonach lediglich darauf gerichtet, daß die Aufgabe, welche das irdische Leben dem Menschen stellt, zum Frommen der Menschheit gelöst werde. Mit dem jenseitigen Leben, der ureigensten Angelegenheit eines jeden Einzelnen und seiner Kirche, befaßt sie sich nicht, doch hält sie dafür, daß der Mensch, welcher sich hier den Ruf der Rechtschaffenheit verdiene, mit vollkommener Seelenruhe dem Tod in's Auge schaue und „sonder Furcht und Grau'n" die Reise antreten könne in's unbekannte Jenseits. Die Frmrei vereinigt. Ihr Wahlspruch heißt: Duldsamkeit. Geheimniße hat sie nicht. Was sie vor Nichteingeweihten verbirgt, betrifft nur ihre Symbole.

Keine