VON ANTON JÄGER AUS MAFFERSDORF/BÖHMEN

lfndenr: 
347
21. Mai 1867

Sehr geehrter Herr!

Erlauben Sie, daß ich Sie unbekannter Weise mit einem Briefe und mit einer Sendung belästige. Die Veranlassung dazu war ein Artikel in Nr. 15 der heurigen Gartenlaube: „Der Bauer als Dichter". Ich war begierig, den merkwürdigen Mann, von wel­chem dort die Rede war, näher kennen zu lernen, und kaufte mir deßhalb unverzüglich „Nümmamüllers und das Schwar­zokaspale", welches Buch ich mit großem Interesse und vie­lem Beifalle gelesen habe.

Sie schildern in demselben das Dorfleben durchaus wahr­heitsgetreu, und jeder Leser von unverkehrtem Geschmack wird Ihrem Werke volle Anerkennung zollen, welche durch den Umstand, daß Sie in den meisten Stücken Ihr eigener Lehrer waren, noch sehr gesteigert werden muß. Mein eigenes Interesse für Sie ward übrigens auch dadurch noch sehr erhöht, weil zwischen Ihren Verhältnissen und den meinigen manche Ähnlichkeiten bestehen. Wie Sie, bin auch ich ein gemeiner Dorfmann; wie Ihnen, war auch mir keine höhere Lehranstalt zugänglich, als nur allein die Dorfschule; wie Sie, trieb auch mich der innere Wissensdrang zu weiterer Ausbildung, und endlich zu schriftstellerischen Versuchen.

Einen Unterschied machen freilich unsere Leistungen, indem die Ihrige weit vollkommener ist, als die meinige. Obgleich ich von dieser Überzeugung durchdrungen bin, wage ich es dennoch, Ihnen die letztere als ein geringes Zei­chen meiner Verehrung darzubringen, und Ihnen im Geiste freundschaftlich die Hand zu reichen - ein Dorfmann dem anderen, aus einem Winkel der österreichischen Monarchie in den entgegengesetzten Winkel derselben. ­Ich schrieb die Geschichte meiner Heimat, behandelte aber die Lokalgeschichte in anderer Weise, als es gewöhnlich geschieht; meine Vorliebe für die in neuerer Zeit (besonders durch Auerbach) zu Ehren gebrachte Dorfgeschichte hat viel darauf eingewirkt. -

Die von Ihnen geschilderten Dorfverhältnisse haben mit den hiesigen verglichen einige Besonderheiten; im Allgemeinen aber viel Ähnlichkeit, Ihre Nümmamüllers sind auch mir bekannte Leute, und Sie werden im Kapitel von den Mühlen in der Dorfchronik Andeutungen darüber finden. Auf Ihr nächstes Werk bin ich sehr begierig, und ich trage großes Verlangen, zu Ihnen in nähere Beziehungen zu treten. Wenn Ihnen nur mein Entgegenkommen nicht als zudringlich und unbescheiden erschiene, möcht' ich gerne noch die Ver­sicherung aussprechen, daß mich ein gütiges Antwortschrei­ben von Ihnen sehr erfreuen würde.

Indem ich schließlich den Wunsch ausspreche, Sie wollen meiner Ihnen hiemit übersendeten Dorfchronik einige Auf­merksamkeit schenken, zeichne ich in Hochachtungsvoller Ergebenheit

A. Jäger

Keine