AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
433
18. November 1867

Lieber Freund!

Deine Schrift über Unterricht im Deutschen hab ich endlich erhalten und mit wahrem Vergnügen gelesen. Wohl kaum ein Lehrer empfindet die Wahrheit Deiner Darstellung leb­hafter als ich, der nie in der Schule, sondern nur aus Büchern deutsch lernte. Bei uns, d h im Bregenzerwalde spricht der Schüler gerade so wie zu Hause, wenn sichs nicht ums Her­plappern auswendig gelernter Sätze handelt. So entstanden hochdeutsche Sätze wie: „Es blühen Rosen an einer Lanze" und noch närrischeres Zeug. Und mir gab sich, wol weil ich auch zu viel mit dem Auge lese, zuweilen der unnatürlich lange Wielandische Satz den ich mir aber schon etwas ab­gewöhnte, seit ich auch Deutsch reden hörte. Ich danke Dir für diese Arbeit, die gewiß vielen eine Wohltat wird und drücke Dir im Geiste herzlich die Hand. Der Uhrenmacher wurde gestern durch Herrn Rüscher das erste Mal von der Kanzel als Hochzeiter verkündet mit Ma­riann Muxel dem Kinde eines Handelsmanns, einem ordent­lichen Mädchen in seinem Alter zu dem ich ihm mit Freuden Glück wünsche du glaubst gar nicht, was alles angewendet wurde, um dem Mädchen seine Neigung auszureden. Über­haupt sind jetzt die Betschwestern unermüdlich thätig, wenn ein Freund oder Verwandter von mir sich verehlichen will. Nur die Kronenwirthin ist den Frommen untreu geworden und hat erzählt, es sei ihr von den Frommen gesagt worden, sie sollte dem Uhrenmacher und mir und ähnlichen gar nichts mehr zu trinken geben. Also auch aushungern wollten sie uns, da ists am Ende ein Glück, daß der Uhrenmacher in die Verwandtschaft eines Müllers, eines Bäckers und eines Fuhr­manns heirathet. Die wird uns doch nicht ganz verlassen. Aber daß die entlehnten Zeitschriften noch nicht in Leipzig sind, ist mir unerklärlich. Ich habe sie schon im September zur Beförderung an Stettner geschickt und werde noch heute an ihn schreiben. Ich möchte nun einen Vorschlag bringen, der solche Zwischenfalle unmöglich machte. Herr Märkert erlaubte mir, „Daheim", das „deutsche Museum", die „Europa" zu behalten. Wie war es, wenn er mir künftig nur noch diese Blätter zuschickte und vielleicht auch die Roman­Zeitung wenn er auch diese an mich verkaufen könnte. Ich bitte dich, mit ihm davon zu reden ihm auch mein Bedauern über den Zwischenfall auszusprechen und die Versicherung, daß ich das Fehlende auf meine Kosten schicke, wenn es nicht gleich kommt oder schon dort ist. - Und nun, um gleich mit allem aufzuräumen, auch von einem ändern Zwischen­fall. Ich dingte mir von den Liebeszeichen 10 Freiexemplare aus wovon 2 (eins für Dich u. eins für ihn) an Hirzel gesendet werden sollten. Nun wartete ich immer auf meine Exemplare und warte noch, da doch vielleicht die Redaktion das Ver­sehen noch gut machen wird. Ich bin begierig, was ihr zu der Erzählung sagen werdet. Übrigens denke ich mich in Zukunft an die österreichische Gartenlaube zu halten. - Jetzt freilich bin ich ganz bei „Arm und Reich". Ich wünschte dich oft neben mich - nicht nur um dir aus der Erzählung vorzu­lesen, sondern um mit Dir über so viel wieder zu reden. Es ist jetzt hier merkwürdig kurzweilig. Die Frommen haben wirklich sich gegen das Wahlergebnis an die Statthaftere! gewendet, weil eben mit mir die beiden Vorsteher und noch 4 meiner Anhänger gewählt wurden, während sie gegen uns 7 nur 5 in den Ausschuß brachten, also von den Freimaurern immer überstimmt sein werden.

Unsere Frommen haben eigentlich recht: Das wird einmal ein rechtes Freimaurerfest sein. Meine hiesigen Freunde wer­den sich versammeln und auch die Fernen werden uns gei­stig gegenwärtig sein. Von der Abdankungsrede werde ich Dir berichten. Vielleicht ist auch der Wackere, Herzog, dabei, dessen Photographie ich Dir noch schicke. Den Rüscher be­halte nur mit gutem Gewissen, ich habe hier ja oft genug Gelegenheit, ihn zu sehen. Jetzt hat er endlich unsere Leih­bibliothek durchgesehen und eine Abschrift des Verzeich­nisses der Bücher mitgenommen, vermuthlich für den Dekan. Doch nun hast Du mein Geplauder über solche Kleinigkeiten wol satt. Das nächste Mal berichte ich Dir von meinem Ro­man und was die Statthalterei zu dem Protest sagt für den man nur durch Betrug eine genügende Zahl von Unterschrif­ten gewann. Lebe wol und grüße mir die Deinen und alle Lieben dort

Dein Freund Felder.

Ich vergaß Dir zu sagen, daß man ein dickes Weib oder Mädchen eine Knutte, a Knutt nennt.

Der Uhrenmacher hat übrigens noch nicht gebeichtet, wol aber einen Beichtschein zu bringen versprochen. Pfarrer Rüscher soll „mit den Feldern keine Händel mehr wollen um nicht wieder in allen Zeitungen herumgeschleppt zu werden". Der Uhrenmacher war am letzten Freitag im Pfarrhof und bekam kein böses Wort. Wir warteten im Bräuhaus auf ihn wo wir den aus der Fremde gekommenen Lehrer be­grüßten. Wieder saßen unser sieben beisammen, wie im Frühling vor der Flucht an dem Abende, an welchem der Pfarrer die beiden Vorsteher fortgejagt hatte. Wir hatten uns viel zu erzählen. Ich gedachte auch der herrlichen unvergeß­lichen Kahnfahrt von Kunewitz bei Mondschein und Gesang, wir ließen die Freunde in Leipzig und Dich besonders hoch leben und nebenbei unser Brautpaar.

Jetzt lese ich Immermanns Münchhausen, welchen sich der Uhrenmacher anschaffte, doch werden wir fast jeden Abend von Besuchern gestört. Hoffentlich finde ich mehr Zeit, wenn einmal der Schnee die Wege bedeckt und jedermann ein­sperrt.

Kurzweilig ist hier auch die Bewegung für und gegen das Konkordat. Man predigt, man sammelt Unterschriften von Leuten die nicht wissen was sie thun und die armen abhän­gigen Schullehrer sind wahrlich schlimm dran. Unsere Zei­tungen sind jetzt sehr interessant und ich hätte Dir sie schon oft zuschicken mögen. Doch Dir geht das nicht so nahe wie uns und es fehlte dir die Zeit zum Lesen. Meinen Tannberger Artikel in der Feldkircher Zeitung aber hab ich dir denn doch zuschicken lassen. Du wirst ihn doch erhalten haben. Seltsam war mirs, daß Dein Brief der Geschichte, die hier viel Aufsehen machte mit keinem Worte erwähnte. Kunz ist, wie mir Professor Sander von Feldkirch schrieb, nun glücklich bei seinem Bruder in Amerika angekommen. Sander sprach sich mit warmem Lob über Deine Schrift aus. Er und die ändern Feldkircher lassen Dich herzlich grüßen. Ists nicht eigen, wie viele Bande Dich schon an unsern Erdwinkel fes­seln möchten? Ich habe Dir ja schon über so viel zu berichten als ob Du ein Landskind wärest. Und das bist Du auch denn wir sind Deutsche.

Von Leipzig ist mir der Aushängebogen des Brockhausschen deutschen Sprüchwörter Lexikon mit einer gedruckten Ein­ladung zur Mitarbeiterschaft übersendet worden. Ich habe noch nicht geantwortet und weis überhaupt noch nicht was ich thun will und wozu mir Zeit bleibt. Von der Sammlung in Wien höre ich kein Wort mehr, seit Dr Leitner, den wir mit seiner Frau in Schröcken trafen, nach Kitzbichl versetzt ist.

Am nächsten Montag den 25 d ist der Katharinenmarkt in Au

 

Tag des Schreckens und der Trauer Dessen mancher

arme Bauer Nur gedenkt mit Schreck und Schauer

Denn an den Kathrinentagen Werden Bücher

aufgeschlagen Wo die Schulden eingetragen Was die

Väter einst verbrochen Jetzt an Kindern wirds

gerochen Fünf Procente sind versprochen,

 

Auch ich werde Zins zahlen müssen, aber der Tag wird mir doch nicht so traurig und kalt sein, wie sonst. Ist es doch des Uhrenmachers Hochzeitstag, wenn alles ordentlich geht.

Keine