KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
212
22. Juli 1866

Lieber Freund!

Mit Bezugnahme auf unser letztes Krumbacher und Körber Gespräch sende ich Dir anliegend 20 FI.Ö.W., die ich eben entbehren kann. Sobald Du wieder etwas brauchst, zeige es an. - Seit drei Wochen stelle ich hier den Amtsleiter vor, weil ich bei der Rückkehr von Krumbach den Bez.Vorsteher Mathis krank traf und er noch krank, doch auf Besserung ist. - Viele Beamte haben jetzt Kummer wegen ihrer Zukunft, welchen ich jedoch nicht teile. Auch halte ich dafür, daß das deutsche Volk und insbesonders wir Österreicher von der Zukunft im allgemeinen zunächst nichts Gutes erwarten können. Wir verdienen aber wirklich nichts Gutes. Die Kleingeisterei herrscht in erschreckender Weise. Die Menschenschlächterei will nicht aufhören! Wie glücklich bist Du, daß Du in dieser Zeit des Elends und des Jammers ruhig und ungestört den Friedensgesängen der Amseln und Meisen zuhören kannst. Ich brauche meine Philosophie jetzt mehr als je und halte wegen ihrer ausgezeichneten Leistungen dafür, daß ich die rechte habe. Sie läßt mich die außerordentlichen Vorgänge in der Welt ziemlich ruhig ansehen und gestattet getreuliche Verfolgung derselben. Doch braucht es alles auf in dem Meer aller gemeinen Leidenschaften, die da hin- und herfluten. Unsere Schützen haben jetzt schlechte Zeiten und selbst die Studenten sehnen sich heim. Die Feldkircher Zeitung posaunt heute aus, Österreich habe die Friedenspräliminarien nach Frankreichs Antrag angenommen, wonach das Wesentlichste der Austritt Österreichs aus Deutschland sei. Daß der Austritt aus Italien schon stattgefunden, weißt Du. Also überall Aus­tritt und Eintritt!!? Meine Theres ist nocht aufrecht und war letzthin eine ganze Woche in Schruns auf Kriosi. Die Isabella macht sich jetzt ganz gut, sie hat auf der Krone viel gelernt. ­Wie ist es mit dem Demokraten und mit Deinen Korrespondenzen in Deutschland draußen. Wenn wir von Deutschland abgeschnitten werden, woran  ich  nicht zweifle (außer wir verlieren noch eine Hauptschlacht, in welchem Fall wir wohl zu  Deutschland kommen werden), so wird Deine Lage als Literat eine schwierige, da dann der schleichende Krieg der sogenannten   moralischen   Eroberungen   unvermeidlich   sein wird. -

Wie geht's mit dem Käsgeschäft?

Schicke mir bald Antwort. Ich grüße Dich und die Deinen aufs freundlichste

Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine