KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER
Lieber Freund!
Endlich komme ich einmal dazu, Dir zu schreiben. Ich benütze die erste freie Stunde hiezu. Seit einigen Wochen war ich ungewöhnlich stark angestrengt wegen einer bedeutenden Raubgeschichte. Ich hatte es mit einem gehörigen gesetzlich so zu nennenden Räuber zu tun, d. h. ich war Untersuchungsrichter. Ich habe den Räuber zu Stande gebracht, aber ich mach auf nichts weniger als auf Anerkennung Anspruch. Im Gegenteil, die landsässigen Beamten werden mich umsomehr zu verdrängen suchen. Doch das sind Gemeinheiten, ich habe Dir noch nie von so was etwas gesagt und ich will auch nichts mehr sagen. Ich bin mit Dir beinahe in derselben Lage, d. h. objektiv - die Leute wollen nichts von dem wissen, was wir leisten. Der Unterschied ist aber der, daß Du Dir die Haare ausreißen willst, während ich von den Leuten im vorhinein nichts erwartete und zum ganzen Plunder lache. Mache es gscheiter auch so. Der Mensch ist mit soviel Kraft ausgerüstet, daß er bei guter Ökonomie derselben die Welt gemütlich um sich herumtragen lassen kann. Konzentriere Dich in Dir selbst. -
Wer ist der J. F. in der Landeszeitung, der Dein Werk besprochen hat? Der Dr. Vonbun hat sich über Dein Opus beiläufig so geäußert:
„Ungemein reell, zu reell, zu wenig Ästhetik, man müsse etwas idealisieren, wenn man in der Literatur zu Geltung kommen wolle. Da sei zu viel Stallgeruch. Auerbach und Gotthelf bringen diesen Geruch nicht mit in die Stube. Das sei vielleicht der einzige Grund, daß Dein Werk in die deutsche Literatur nicht aufgenommen werde." Diese Kritik ist meiner Ansicht nach für Dich ganz günstig. Vonbun versprach, in der Landeszeitung sich auszusprechen. Er arbeitet jetzt an dem Buch, das der Landwirtschaftliche Verein für die Lehrer der Sonntagsschulen Vorarlbergs zusammenstellen will. Mein Weibl und ich sind gesund. Mit Gruß, Dein Freund
K. Moosbrugger