KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
104
23. Dezember 1863

Lieber Freund!

Endlich komme ich einmal dazu, Dir zu schreiben. Ich benütze die erste freie Stunde hiezu. Seit einigen Wochen war ich ungewöhnlich stark angestrengt wegen einer bedeutenden Raubgeschichte. Ich hatte es mit einem gehörigen gesetzlich so zu nennenden Räuber zu tun, d. h. ich war Untersuchungs­richter. Ich habe den Räuber zu Stande gebracht, aber ich mach auf nichts weniger als auf Anerkennung Anspruch. Im Gegenteil, die landsässigen Beamten werden mich umso­mehr zu verdrängen suchen. Doch das sind Gemeinheiten, ich habe Dir noch nie von so was etwas gesagt und ich will auch nichts mehr sagen. Ich bin mit Dir beinahe in derselben Lage, d. h. objektiv - die Leute wollen nichts von dem wissen, was wir leisten. Der Unterschied ist aber der, daß Du Dir die Haare ausreißen willst, während ich von den Leuten im vorhinein nichts erwartete und zum ganzen Plun­der lache. Mache es gscheiter auch so. Der Mensch ist mit soviel Kraft ausgerüstet, daß er bei guter Ökonomie derselben die Welt gemütlich um sich herumtragen lassen kann. Kon­zentriere Dich in Dir selbst. -

Wer ist der J. F. in der Landeszeitung, der Dein Werk be­sprochen hat? Der Dr. Vonbun hat sich über Dein Opus beiläufig so geäußert:

„Ungemein  reell, zu  reell, zu wenig Ästhetik,  man  müsse etwas idealisieren, wenn man  in der Literatur zu Geltung kommen wolle.  Da sei  zu viel  Stallgeruch.  Auerbach  und Gotthelf bringen diesen Geruch nicht mit in die Stube. Das sei  vielleicht  der  einzige  Grund,  daß   Dein   Werk   in   die deutsche Literatur nicht aufgenommen werde." Diese Kritik ist meiner Ansicht nach für Dich ganz günstig. Vonbun versprach, in der Landeszeitung sich auszusprechen. Er arbeitet jetzt an dem  Buch, das der Landwirtschaftliche Verein für die  Lehrer der Sonntagsschulen Vorarlbergs zu­sammenstellen will. Mein Weibl und ich sind gesund. Mit Gruß, Dein Freund

K. Moosbrugger