KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
668
3. Februar 1869

Lieber Freund!

Der Bub, der mir am 1. d. Ms. geboren wurde und seit gestern für immer Ferdinand Martin heißt, rumorte in seinem Käfig schon seit einem Monat derart, daß wir nie vor seinem Ausbruch sicher waren, was der Hauptgrund ist, daß ich jetzt erst zu meinem Schreiben an Dich komme. Ein Kerl, der solches Spektakel macht, bevor er eigentlich ist, verdient es, daß man ihn von Angesicht zu Angesicht kennen lerne, bevor man zur Tagesordnung übergeht. Nun alles in Ordnung ist, will ich über Deine werten Briefe vom 11. und 23. Dez. 1868 und 29. v. Ms. antworten, kann aber wieder nur flüchtig sein. ­Über ,Arm und Reich' habe ich nur weniges flüchtig hinge­worfen und wollte ich keine förmliche Kritik geben. Dazu braucht es offenbar mehr, als ich zu leisten vorhatte. Deine Einwendungen gegen das von mir Gesagte waren mir inter­essant und gehen mir, wie der Buchinhalt, viel im Kopf herum. Vielleicht kocht sich noch etwas darüber aus. ­Neulich hatte ich mit zwei jungen Geistlichen aus der Brixner Schule, deren einer von Egg und hier Kooperator ist, einen anregenden Disput über das Buch, war mir aber nicht mög­lich, sie zu überzeugen, daß Du eher die Licht- als die Schat­tenseiten der Wirksamkeit ihrer Schule hervorkehrst, und sie davon abzubringen, daß Du es auf Darstellen des Schattens abgesehen. -

Den Brief von Hamm lege ich bei, der hauptsächlich inter­essant ist, weil er von einem österreichischen Ministerialrat kommt. Merkwürdig ist mir, daß die Liberalen, wie ich aus dem Urteil des Hirzel in der Zürcher Zeitung, aus dem des Byr in der Landes- und aus dem des Elsensohn in der Feld­kircher Zeitung sehe und aus dem Hamm'schen Schreiben entnehme, die Tendenz und Tragweite des Buches absolut mißverkennen. -

Ich wünsche Dir den besten Erfolg beim Schillerverein, und wird voraussichtlich ergiebig geholfen werden. - Bei unserm Lese- und Bildungsverein bin ich allerdings von Anfang an mitbeteiligt gewesen. Er hat jetzt 52 Mitglieder und 32 Gäste. Letztere sind solche Beteiligte, die gegen Erlag von monat­lich 10 Kr. ö. W. an den Benefizien des Vereins teilnehmen und aber von Beschlußfassungen ausgeschlossen sind. Der Verein regiert sich durch alle Mitglieder selbst und hat nur zur Besorgung der Manipulationsgeschäfte einen Vorsteher und 4 Ausschüsse, ist durchaus demokratisch. Weil der Magi­strat durch Zuweisung eines Lokals und sonst sich Verdienste um den Verein erworben, wurde der Bürgermeister Wolf Vorsteher. Wie wenig die Fabrikanten bevorzugt werden, ergibt sich daraus, daß nur Andrä Gaßner, der 50 Fl. zum Verein spendiert hat, in den Ausschuß kam, und zwar mit den wenigsten Stimmen. Die ändern Ausschüsse sind Dr. Bickel, Oberlehrer Muther und ich. Da wir nach der jetzigen Beteilung über 3 bis 400 Fl. ö. W. jährlich zu verfügen haben, können wir für reichhaltige Lektüre sorgen und haben bereits soviel Zeitungen und Zeitschriften /: alle durch Mehrheit der Stimmen der Mitglieder gewählt :/, daß wir förmlich an Über­füllung leiden. Es können sich Liberale, Ultramontane und Demokraten satt essen, letztere freilich am wenigsten, sind aber von Haus aus an magere Kost angewiesen. - Der Lärm, der über diesen Verein in den Zeitungen geschlagen wird, geht von den Liberalen aus, die sich überhaupt keck vor­drängen. Sie drängen sich auch zu Vorträgen, die jedermann gestattet sind, heran und wollen Proselyten machen. Daß sie rührig sind, muß man ihnen lassen, und daß sie ihre besten Kräfte ins Feld schicken, auch, aber für Bludenz werden sie doch nicht gefährlich. Höchstens können sie es zu einer Spaltung bringen und zu einem Rückzug der völlig ohn­mächtigen Ultramontanen. Wenn es hier einmal eine Aufrüt­telung gibt, die einen Namen hat, werden ganz andere als liberale Losungsworte ausgegeben. Das Volksblatt erhalte ich seit Neujahr wie Du und bin schon zweimal zum Mitarbeiten aufgefordert worden, wobei Vonbank die sonderbare Ansicht aussprach, ich und die Unterschreiber des Programms seien zum Arbeiten einfach verpflichtet. Ich habe ihm noch nicht geantwortet. -

Sei so gut, beiliegenden Brief dem Bruder Pius zu geben. ­Dir und den Deinen alles Gute zum Neuen Jahr. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund                                  K. Moosbrugger

Wenn Du zu mir kommen willst, bist immer Gast, kann aber nicht verschweigen, daß die Zimmer meines jetzigen Quar­tiers alle nahe beisammen sind und es fast unmöglich ist, Ruhe zu haben, da ich bereits selbneunt bin. -

Keine