AN JOSEF VON BERGMANN IN WIEN
Verehrtester Herr Bergmann!
Durch Herrn Willam habe ich vor etwa einem Monath Ihre „Bitte um Mitwirkung zur Sammlung des vorarlbergischen Sprachschatzes" erhalten, u. ich war glüklich durch den Gedanken, daß ich villeicht auch einige Beiträge zu diesem vaterländischen Werk werde liefern können. Ich habe daher im letzten Monath jeden freien Augenblik benützt, um das, was ich Ihnen hier übersende, niederzuschreiben; mehreres werde ich auszuarbeiten im Winter Zeit u. Gelegenheit finden.
Ich bin nämlich, wie Sie meiner Arbeit es nur zu gut ansehen werden, weder ein Gelehrter noch ein Studirter, sondern ein 24 jähriges Bäuerlein, das nie keine andere Schule, als die in seinem Dörfchen besucht hat; Nur die freien Stunden bei Regenwetter u. die Sonntage sind ganz mein; nur da habe ich Zeit, mich mit meinen Lieblingsarbeiten: Lesen Schreiben u. Lernen abzugeben. Früher hätte ich große Lust zum Studiren gehabt, aber da ich der einzige Sohn einer Wittwe war, u. mich überdies ein Artzt in betrunkenem Zustande um das eine Auge gebracht hatte, mußte ich ein Bauer werden, doch habe ich neben meiner Arbeit immer gelesen und gelernt, so viel mir, dem gänzlich auf sich selbst u. seine Bücher angewiesenen, möglich war.
Oft habe ich als Taglöhner strenge Arbeiten verrichtet, habe weder Hitze noch Kälte gescheut, nur um mir das Geld zum Anschaffen von Büchern zu verdienen.
Am meisten fühlte ich mich von der Dichtkunst angezogen; schon als Schulknabe habe ich Verse in unserm Dialekt u. in hochdeutscher Sprache gemacht. Später las ich Schiller Göthe Wieland kurz sämmtliche Klassiker u. 1861 brachte mich die Lectüre der Auerbachischen Dorfgeschichten zu dem Entschluß, eine Bregenzerwälder-Dorfgeschichte zu schreiben. Es geschah auch wirklich u. vor 8 Monathen wagte ich, durch einen meiner Freunde aufgemuntert, das Werkchen an eine Buchhandlung zu schiken, wo es dann ganz gut aufgenommen u. honorirt wurde. Es ist jetzt unter der Presse u. bis in 2 Monathen hoffe ich Ihnen ein Exemplar übersenden zu können. -
So viel glaubte ich Ihnen von mir selbst mittheilen zu müssen, u. nun werden Sie sich leicht denken können, daß ich mich bisher nicht nur mit unserer Sprache, sondern haubtsächlich mit dem Leben, den Sitten u. Gebräuchen der Bregenzerwälder abgegeben habe. Unter u. mit dem Volke hier lebend, arbeitend u. genießend, hatte ich Gelegenheit wie sonst wenige, es von allen Seiten kennen zu lernen. Ich könnte Ihnen daher hierüber manchen nicht unintressanten Beitrag liefern, wenn Sie mir erlaubten, die bisherige zu größeren Arbeiten allzuknappe Form zu verlassen u. eine andere mir geläufigere zu wählen. Nur müßte ich dann bitten, daß Sie da, wo Sie meine Arbeiten benützen, auch die Bezugsquelle erwähnten, damit, wenn ich später ähnliches novellistisch bearbeitete, ich nicht Nachschreiber genannt werden könnte. Villeicht sind Sie so gütig, mir bald eine Antwort zu schreiben, u. mir dann hirüber Ihre Meinung mitzutheilen.
Hier übersende ich Ihnen das bisher ausgearbeitete Alphabetisch geordnet von A bis M. Das Übrige später. Da, die Mundart in Schoppernau, Au, Schnepfau u. Möllau völlig die gleiche ist (einzelne Abweichungen werde ich später mittheilen) habe ich die Redensarten so geschrieben, wie sie zu Schoppernau, dem hintersten Dorf, wo noch am wenigsten Neues u. Fremdes sich eingebürgert hat, gesprochen werden. Wo ein Ausdruk u.d.g. nur an einem Ort vorkommt, habe ich diesen Umstand angegeben z.B. Groschokopf (statt Gortschakoff) kommt nur hier d.h. in Schoppernau vor. Die = unterstrichenen Vokale werden scharf bethont, aber schnell ausgesprochen (Mins). Die übrigen Bemerkungen, wo ich solche für nötig hielt, sind beigefügt.
Ich erlaube mir nun noch Sie um Antwort zu bitten auf die obige Frage, ob Sie meine Arbeit verwendbar finden u. womit ich Ihnen ferner dienen kann. Abdankreden, Schilderungen von Festen Hochzeiten Lieder u.d.gl. werde ich auf Verlangen ebenfalls u. so bald als möglich Ihnen zusenden. Es empfiehlt sich ihnen Hochachtungsvoll Ihr ergebenster
Franz Michel Felder