FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
585
28. August 1868

Lieber Freund!

Deine beiden Sendungen hab ich erhalten. Daß ich schon alles durchgesehen, kann ich aber nicht sagen. Nur den Brief hab ich mir zu Gemüte führen wollen, doch Kopf und Hand waren immer wieder beim kranken Wible, immer redete sein Fieber in Deinen Vortrag hinein, und heute muß ich Dir von ihm, vielleicht nur von ihm schreiben. Die Bauchanschwellung hat sich bald nach Abgang des letzten Briefes verloren. Das Dökterle redete gleich vom Nervenfieber, was ich bald nur zu sehr bestätigt fand. Am Dienstag schon verschlimmerte sich ihr Zustand von Stunde zu Stunde. Abends, schon im furchtbarsten Fieber, nahm sie Abschied vom Leben, empfahl mir die Kinder, und es gelang mir kaum, die Aufgeregte zu beruhigen. Auf andere hörte sie gar nicht. Sie verlangte den Pfarrer Stockmayer, der sie abends 12 Uhr mit allen Sterb­sakramenten versah. Nachher war die Aufregung, das Fieber noch ärger. Ich habe da eine furchtbare Nacht erlebt. Am Mittwoch schlief die Kranke, ihr häufiges Erwachen war immer schrecklich. Mir wollte sie alles sagen, was sie drücke, und nur mit Fragen nach dem und jenem Hausgerät konnte ich sie auf ruhigere Gedanken und wieder zum Schlafen bringen. Gestern endlich gab es wieder etliche bessere, hellere Stun­den, und das Fieber stellte sich erst abends wieder ein. Die Nacht war schlaflos. Heut klagt sie über Schlaf, ohne zur Ruhe zu kommen.

Eben hab ich sie in mein Bett gebracht, weil sie dort viel besser und sicherer ruhen zu können meint. Das ist auch schon früher vorgekommen. Das Dökterle hofft, es werde wieder besser, doch kommt es täglich zweimal herauf. Die Isabell wird, da ich nun eine Wärterin habe, die nächste Woche kommen und Dir vielleicht auch eine Antwort auf Deinen Brief mitbringen, deren Grundgedanken Du erraten kannst. Ich liebe mein enges Vaterland, welches mir mit dem armen Wible vielleicht eines seiner besten - Güter und Wesen ließ, aber mit der Pflege speziellen Vorarlbergertums kann's nicht gehen, und gerade der Demokrat muß nicht seine Alliierten [?] durchaus auf heimatlichem Boden suchen. Ich beklage mit Dir die Haltung und das Wesen der sog. Libe­ralen und verdamme das Ultramontane. Auch ist mir klar, daß von außen ein Stoff geworfen werden muß, um die gesundern Teile beider Massen frei zu machen und als dritte Gruppe kräftig zu vereinen. Doch für heute muß ich Dich leider auf meine gedruckte Klarstellung, auf ,Reich und Arm' vertrösten.

Am Gründungsfest des Auer Kasino haben wider Gesetz und Ordnung alle die Bayern und Badenser Gäste Reden gehalten, mit denen man den Bauern imponieren will, auch der Preußenfresser Dr. Lindau. Das Deutschtum ward - nach Dökterles Bericht - verhöhnt, das Handwerk, die Arbeit beschimpft, indem es lächerlich dargestellt ward, wenn Schweinhirt und Schneider mit über die Schule reden wollten. Das Ganze scheint so gewesen zu sein, daß man gern die Hände in Unschuld wäscht.

Beckers Schrift über Lassalle ist sehr interessant in mancher Hinsicht. Isabell bringt sie mit; daß er Katholik werden wollte, ist also richtig. Das Schlußwort scheint mir manches Beher­zigenswerte zu sagen. Mit Deinem Urteil über Fetz und Feur­stein bin ich - wie mein letzter Brief zeigt - einverstanden. Ich habe für Fetz keinen Schritt getan, aber wir waren gegen Berchtold, von dem ich eben eine Hintertreibung unserer Schritte besorge.

Doch ich muß schließen, anderes ruft mich. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

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