FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
445
21. Dezember 1867

Lieber Freund!

Dein Bruder Jakob hat Dir wohl gemeldet, daß der Zustand des Lehrers sich wieder bessert. Jetzt ist er wieder ganz der alte, dafür aber macht mir der Schneider jetzt mehr Sorge. Ich besuche ihn jede Woche und finde ihn jedesmal schlech­ter. Zuerst brauchte er den Lebenswecker, dann den Doktor von Bizau, einen bei den Weibern beliebten frommen Schwätzer, der ihn überdies viel zu selten sieht und ihn aufs Hörensagen mit einer quecksilberhaltigen Salbe kurieren will. Ich rede ihm zu, unser Dökterle oder einen tüchtigen Arzt zu Rate zu ziehen, doch da predigt man umsonst. Nicht sehen sogar darf ihn unser Dökterle, wie sehr es das auch wünscht. Und da liegt er im Bett, mag nicht schlafen und nicht essen, und wie leicht kann aus der Gelenkentzündung eine Knochen­entzündung werden? Die Krankengeschichte Deines Bruders, hat das Dökterle gesagt, könne es Dir nicht schicken, Du müssest Dich an Leouo Schneider wenden. Dieser behandelt Menschen und Rosse mit dem Lebenswecker, und das Dök­terle hat wegen offenbarer Kurpfuscherei vergebens den Schutz des Gerichtes angerufen.

Nun aber genug des Unerquicklichen. Kein Wort von der Unterschriftenhetze, über die Du ein Berichtlein in der Feld­kircher Zeitung finden wirst. Die ganze Geschichte lief hier so schildbürgerisch ab, daß ich auch für die Österreichische Gartenlaube einen Artikel zu schreiben gedenke, von dem Du in der Feldkircherin nur einen schwachen Vorgeschmack ge­winnen wirst.

Die „Liebeszeichen" mitsamt den Druckfehlern wirst Du gleich mit diesem erhalten, doch muß ich Dich um gelegent­liche Rücksendung bitten. Es hat aber nicht so Eile, daß nicht auch Dr. Bickel und allenfalls andere es lesen dürften. Die Redaktion des Blattes ist erbaut von der günstigen Aufnahme meiner Erzählung und bittet dringend um fernere Beiträge.

In der Antwort erwähnte ich des Romans „Arm und Reich". Er ist wohl zu groß für das Blatt, und es wäre ein Erfolg, wie ich ihn noch nicht erwarten darf, wenn die Redaktion mir den erzählenden Teil des Blattes für länger als ein Vierteljahr ganz allein zur Verfügung zu stellen wagte. Ich habe daher auch die Arbeit nicht angeboten, sondern nur so nebenbei ihrer er­wähnt und gesagt, daß sie mich jetzt ganz in Anspruch nehme, das ist auch wahr, und ich hoffe, daß die so ver­wendete Zeit nicht als verloren betrachtet werde. Die Schluß­katastrophe ist gefunden, d. h. sie hat sich, wie in den Sonder­lingen, ganz natürlich aus dem Erzählten ergeben. Doch ich will Deinem Urteil, auf welches ich sehr begierig bin, nicht vorgreifen, sondern das Ganze ruhig zu Ende bringen und einstweilen Deine Bemerkungen über schon Vollendetes, die Liebeszeichen, erwarten. Mich haben die närrischen Druck­fehler sehr geärgert. Jetzt lese ich in der Romanzeitung eine Arbeit meines Rezensenten Bayer, die etwas Schönes zu werden verspricht. Im übrigen scheint mir das genannte Organ an Bedeutung zu verlieren. Ich arbeite jetzt, seit mir ein Knecht den Stall besorgt, so fleißig, daß ich kaum noch zum Lesen der Zeitungen komme. Trotzdem wird die Neue Freie Presse nicht aufgegeben. Als Rüscher beim Verlesen des Hirtenbriefes auf diese Presse kam, sagte er, „in der auch ich gestanden bin im letzten Sommer". Die Wirkung dieser Anmerkung war ein eigenes Lächeln auf den Gesichtern, die ich zu sehen bekam.

Von den sechs Männern, deren Namen unter dem gegen die Ausschußwahl eingereichten Proteste glänzten, haben nun zwei die Echtheit jener Unterschriften geleugnet. Daß ich und die beiden Vorsteher die Erklärung nicht unterschrieben, kannst Du Dir denken, wenn auch das Volksblatt zehn Aus­schüsse erwähnte. Auch in Au waren es nur zehn. Kruso Buab und Greber unterschrieben so wenig als der ebenfalls mit­erwähnte Vorsteher von Schröcken. Doch das alles wirst Du in meinem gedrängten Berichte in der F[eldkircher] Z[ei­tung] finden, auch eine Entschuldigung für das Volksblatt, die auch anderes aufdeckt. Du wirst hoffentlich mit mir zufrieden sein, doch erwarte ich das von Dir selbst zu hören, da Du mir doch auch bald wieder schreibst. In Argenau ist eine Vereinssennerei entstanden, die Span­fudler von hier haben nichts zustande gebracht. Jakob soll in Warth die Milch für einen Batzen halb Silber gekauft haben. Der Weg von Schröcken ging erst gestern wieder auf, die Deinen sind mit dem Vieh nach Krumbach. Vom 1. Jänner an haben wir tägliche Fußpost, und unsere Korrespondenz gewinnt dadurch einen neuen Reiz. Der Uhrenmacher macht sich als Ehemann ganz gut und lebt sich immer mehr in unsere Kämpfe hinein. Das gute Einvernehmen Rüschers mit der Kronenwirtin scheint nicht mehr zu bestehen. Der arme Mann hat also nur noch die Niederau und eine gedankenlose Menge. Der Kurat, den ich letzthin besuchte, wollte allen Ernstes behaupten, daß er sich zu hintersinnen beginne. Der neue Kaplan in Au scheint mir neben anderm ein schrecklich oberflächlicher Mensch zu sein, mit dem wenigstens ich nicht gut auskommen würde.

Herzlichen Glückswunsch zum neuen Jahr und zu Deinem Geburts- und Namenstag. Mögen wir auch anno 1868 endlich das Unsere tun können, uns die Erlösung zu erringen. Lebe wohl!

Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund     Franz Michael Felder

Keine